Am Montag ist die lange Zeit beste aller Koloratursopranistinnen im Alter von 74 Jahren gestorben. Mehr als fünf Jahrzehnte hat Edita Gruberova öffentlich gesungen – und wie!

München/Zürich - Sie war eine Primadonna. Eine Koloratursopranistin, lange Zeit die beste ihrer Zunft, empfindlich, anspruchsvoll, skrupulös in ihrer Kunst, manchmal zickig. Exzentrischen szenischen Volten des Regietheaters hat sich Edita Gruberova stets ebenso verweigert wie einem Publikum, das sie nicht laut beklatschen, oder Intendanten, die sie in ihrem langjährigen Lieblingsrepertoire, dem italienischen Belcanto, nicht besetzen wollten. 2009 hatte Donizettis „Lucrezia Borgia“ Premiere an der Bayerischen Staatsoper, Gruberova war 62, und man konnte hören, dass ihre zuvor so gerühmte Kontrolle über die Stimme nachließ; der Zauber der leisen Töne, den sie entfachen konnte wie kaum eine andere, war aber noch da. Als man ihr danach in München keine weiteren Rollen mehr anbot, machte sie sich mit der Bemerkung „Wenn es nicht passt, komme ich nicht!“ in ähnlicher Weise dem Staub wie zuvor schon in Wien und in der Mailänder Scala („Die Italiener verstehen nichts von der Oper, sie klatschen einfach nicht. Nach zwei Stunden Seelenausschüttung klatschen sie nicht.“). Auch mit den großen Plattenfirmen kam sie nur schlecht zurecht, veröffentlichte deshalb vor allem bei ihrem eigenen Label Nightingale Classics.

 

51 Jahre auf der Bühne

Konzerte hat die am 23. Dezember 1946 im slowakischen Bratislava in prekäre Verhältnisse hinein geborene Sängerin allerdings noch lange gegeben – am prominentesten wohl vor vier Jahren im Festspielhaus Baden-Baden, wo sie 2013 mit dem Herbert-von-Karajan-Preis ausgezeichnet wurde. Diese Ehrung erhielt die einstmals berühmteste und lange auch beste Koloratursopranistin der Welt im Rückblick auf eine einzigartige Karriere, die in den späten 1970er Jahren mit Strauss’ Zerbinetta und mit Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in Wien kometenhaft begann. Und wie besonders war und wurde danach doch ihre Königin der Nacht! Vor allem deren glitzernde, perfekt polierte Tonperlenketten (die manche gerade wegen ihrer Brillanz als kühl empfanden) wird keiner von denen vergessen,die sie staunend hörten. Dank ihrer beeindruckenden Technik stand Edita Gruberova fast vier Jahrzehnte als Diva auf der Bühne – in späten Jahren gerne auch mal in konzertanten Aufführungen, die ihr das verhasste Regietheater vom Leibe hielten. In Konzerten ist sie 51 Jahre lang aufgetreten. Das hat keine Sängerin vor ihr und (bisher) nach ihr erreicht. „Je lauter die anderen singen“, hat die Sängerin einmal gesagt, „desto leiser werde ich“. Am Montag ist sie, erst 74-jährig, in ihrem Haus in Zürich gestorben. Wer sie einmal hörte, wird sie nicht vergessen.