Der große Entertainer, Bandleader und Jazzpianist Paul Kuhn ist gestorben. Er war für die deutsche Musikszene von fundamentaler Bedeutung.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - As Time goes by“, 1931 geschrieben von Herman Hupfeld, war dann wirklich das letzte Lied, das der Pianist und Sänger Paul Kuhn aufgenommen hat. Als ob er was geahnt hätte. Er flog dafür – immer schon schwer gebeugt in letzter Zeit und eben auch schon 85 Jahre alt – extra nach Los Angeles, um in den dortigen Capitol Studios die „L.A.Sessions“ einzuspielen. Kuhn kam an, schüttelte seiner Rhythmusgruppe (dem Bassisten John Clayton und Jeff Hamilton, beide bereits mit Ella Fitzgerald unterwegs) die Hände, setzte sich auf den Schemel, und los ging’s. Clayton, Hamilton und Kuhn verhielten sich wie eine besondere Sternenkonstellation zueinander. Alles passte. Richtig gute Musiker haben nie Probleme, richtig gute Musik miteinander zu machen.

 

Überdies wurden Kuhns Standards produziert von Al Schmitt, Frank Sinatras Mann fürs Feine. Und dann kam eben „As Time goes by“, wozu Kuhn, einer der sanftesten Crooner überhaupt, immer eine besondere Beziehung hatte, ist doch am Ende alles gesagt, „the fundamental Things apply . . .“ Was wirklich wichtig ist, das bleibt.

Frank Sinatra und Count Basie waren seine Vorbilder

Wichtig, ja fundamental für die deutsche Musikszene nach dem Krieg ist der Wiesbadener Paul Kuhn gleich auf mehreren Ebenen gewesen. Eigentlich vorgesehen als klassischer Konservatoriumsschüler, war er schnell verloren, als ihn die Amerikaner in Frankfurt in ihre Clubs ließen. Und Paul Kuhn erspielte sich – mit dem heimlich gehörten halben Radiorepertoire der BBC im Kopf – einen Namen und eine Existenz, mit wunderbar lockerer rechter Swinghand und einer Explosivität, die sehr, sehr cool von innen rauskam. Man kann das – unter anderen tollen Adaptionen – in ziemlicher Formvollendung zum Beispiel auf einem Mitschnitt hören, der später zu Kuhns allerbesten Zeiten entstanden ist: „My World of Music“, zeigt, wie er es schaffte, dass ein simples Thema Swing bekommt und dadurch ein Song, tausendmal gehört, tatsächlich noch mal abhebt. Mit „Fly me to the Moon“, einem Evergreen in Kuhns Programm, schließt sich ein Kreis. Frank Sinatra hatte den Song berühmt gemacht, Count Basie ihn später nobilitiert. Sinatra und Basie waren Kuhns Vorbilder.

Geld verdient allerdings hat Paul Kuhn in der nicht übermäßig jazzgeneigten jungen Bundesrepublik als Schunkler auf den musikalischen Wellen des Wirtschaftswunders. Damals holte man ihn vorgeblich als Künstler, um ihn häufig lediglich als Kunstgewerbler zu beschäftigen. Eindeutig unterfordert lieferte Kuhn geduldig via TV die Soundtracks in die entstehenden Kellerbars: „Es gibt kein Bier auf Hawai“ zum Beispiel, und natürlich „Der Mann am Klavier“ (mit der schönen, im Refrain untergegangenen Zeile: „Denken Sie nicht erst zum Schluss/an den braven Musikus“).

Seine Musik bleibt

Aus Kuhn wurde so öffentlich Paulchen – und Paulchen hieß Party. Erst als die großen Big Bands von SFB und SDR in Schwierigkeiten gerieten und Kuhns Lebensversicherung als Leader da wie dort bröckelte, kam er wieder richtig zu sich, zu seinem Trio (mit Willy Ketzer und Paul G. Ulrich) und zum Jazz reiner Prägung zurück, öfter wie neu geboren wirkend. So ging es noch viele Abende zum Mond und zurück, und die Zeit ging vorbei. Was aber wichtig war, bleibt. Kuhns Musik bleibt. Danke, Mann!