Dem deutschen TV-Publikum ist sie vertrauter als Shakespeare: zum Tod der britischen Autorin Rosamunde Pilcher.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Eines gleich mal zur Ehrenrettung vorneweg: Die Romane von Rosamunde Pilcher sind in Wirklichkeit nicht ganz so seicht wie das, was das ZDF über 20 Jahre für seine Sonntagabende daraus gemacht hat. „Die Muschelsucher“ beispielsweise, jener Roman, der ihr 1987 den Durchbruch auf dem Büchermarkt bescherte, ist in Deutschland nicht zufällig als Rowohlt-Taschenbuch erhältlich, und man kann es guten Gewissens und offen als Urlaubslektüre in den Koffer packen. Am besten natürlich für eine Reise nach Cornwall (noch darf man ja dorthin), an die imposante Südwestküste Englands mit ihren schroff verschlungenen Meeresklippen und den Autostraßen direkt am Hang, der frischen Brise und dem Möwengeschrei.

 

Beim Picknick am einsamen Aussichtspunkt liest man dann die Geschichte von Mrs. Penelope Keeling, die reifen Alters täglich mit Freude jenes Gemälde betrachtet, das ihr Vater einst für sie gemalt hat und auf dem zu sehen ist, was sein Titel auch benennt, nämlich „Die Muschelsucher“. Groß ist die Aufregung, als Penelopes Kinder herausfinden, dass man das Bild sehr teuer verkaufen könnte; mit einem Schlag wäre die ganze Familie reich! Aber es hängen eben doch zu viele Erinnerungen daran, die ganze hochvertrackte Saga der Keeling-Sippe. Und deswegen bleibt das Bild bis zum Schluss natürlich da, wo es hingehört: an Penelopes Wand.

144 Pilcher-Romane sind vom ZDF verfilmt worden

Jetzt ahnt wohl auch der Pilcher-unkundige Leser, was das ZDF aus solch einer Vorlage zu stricken imstande ist – 144 Pilcher-Romane sind inzwischen vom Zweiten verfilmt worden. Zuletzt gab es „Das Geheimnis der Blumeninsel“ und „Morgens stürmisch, abends Liebe“ zu sehen. Deshalb ist die Britin Rosamunde Pilcher in Deutschland bekannter als in Großbritannien, und der verantwortliche ZDF-Redaktionsleiter wurde bereits 2002 mit dem British Tourism Award ausgezeichnet.

Aber wie gesagt: Den literarischen Fähigkeiten der Autorin tut der TV-Hochglanz ein wenig Unrecht. Die Tochter eines Marineoffiziers, Jahrgang 1924, schrieb seit ihrem 15. Lebensjahr mit großer Leidenschaft. Cornwall ist die Landschaft ihrer Kindheit, gelebt hat sie später im Haus ihres schottischen Ehemannes, beschäftigt vor allem mit dem Gatten und vier Kindern. Dort am Küchentisch hat Pilcher in ihren Erinnerungen nach Geschichten geforscht, so wie auf Penelopes Bild die Muschelsucher. Und aufgeschrieben hat sie es dann nicht mit dem Ziel, Weltliteratur zu schaffen. Sie sah sich vielmehr stets in der Tradition der angelsächsischen Unterhaltungsliteratur.

Romane wie Schaumbäder

Aber die Welt hat sie gelesen, sehr bald nach ihrem Debüt im Alter von bereits 60 Jahren. Sie schrieb für Frauen, „leichte Lektüre für intelligente Damen“. Das Frauenbild in ihren Romanen kann man allenfalls als liberal-konservativ bezeichnen: Am Ende wird geheiratet, aber auf dem Weg dorthin dürfen sich die Kerle nicht jeden Mist erlauben. Aber auch das war Pilchers Devise: „Frauen wollen im Bett nichts Schweres oder Verstörendes lesen. Sie wollen aber auch keinen Müll, der ihre Intelligenz beleidigt.“ Im realen Leben unterstützte Pilcher gern auch feministische Positionen: „Frauen müssen aggressiv sein, wenn sie gleichberechtigt sein wollen.“

Trotz alledem war die Pilcher natürlich nie etwas für die große deutsche Literaturkritik. Und umso erfreuter nimmt man zur Kenntnis, wie diesseits davon in jüngerer Zeit eine Reihe entspannter Beobachter zu würdigen lernten, dass solch ein knuffig-kuschelig verbrachter Sonntagabend auf der Couch entweder mit einem ZDF-Pilcher-Film (es steht noch aus: „Die Braut meines Bruders“), noch besser aber mit einem Pilcher-Schmöker auf jeden Fall seinen die Gesamt-Welt-Psycho-Lage stabilisierenden Wert haben kann. In einer Rezension stand mal: „Pilchers Romane sind wie Schaumbäder, man hat das Gefühl, seine Zeit auf entspannende Art und Weise vertan zu haben.“ Der ganze Sinn in einem Satz: danke! Am Mittwoch ist Rosamunde Pilcher im Alter von 94 Jahren gestorben.