Der Sommer dreht auf. Für Wirte der Stuttgarter City heißt das: Die Schlangen werden länger. Der Palast der Republik schottet sich nun ab. Und der Chef der California Bounge ärgert sich über Staus auf der Theo durch den Popup-Radweg.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Über den temporären Radstreifen auf der Theodor-Heuss-Straße, über die sogenannten Pop-up-Bikelane, sagte Rathaus-Sprecher Sven Matis kürzlich: „Negative Auswirkungen auf den Autoverkehr sind bislang nicht zu beobachten.“ Oliver Joos, ein Gastro-Urgestein der Stadt, der einst die Tür am Perkins Park kontrollierte und seit 17 Jahren die California Bounge bei der Börse führt, hat sich über das Zitat amüsiert. Offensichtlich wisse man im Rathaus nicht, was nachts in der City geschehe. Weil Autofahrern nur noch eine Fahrspur zur Verfügung steht auf einem Teil der Partymeile Theo Heuss, bilden sich zur späten Stunde lange Staus auf einer der Hauptverkehrsachsen der Stadt. Und weil dann oft die Nerven blank liegen bei so manchem am Steuer mit Blick auf den leeren Radweg, ertönt regelmäßig ein lautes Hupkonzert.

 

„Beim Kulturwasen ist das Hupen der Beifall“, sagt Joos, „bei uns wird gehupt, weil die Leute wütend sind, dieses Hupen auf der Theo ist quasi ein Auspfeifen des Gemeinderats.“ Der Wirt ist gern bereit, Vertreterinnen und Vertreter des Rathauses mal auf seiner Terrasse beim Denker zu empfangen, damit sie erleben könnten, wie laut und chaotisch es abends hier zugeht – von wegen „keine negativen Auswirkungen“.

„Das Beispiel Tübinger Straße zeigt, wie es geht“

Bis zum 4. Oktober soll auf der Theo Heuss getestet werden, ob sich der Radstreifen bewährt. Die Radbloggerin und Autorin Christine Lehmann setzt sich dafür ein, dass aus dem Popup-Weg eine Dauereinrichtung wird, wenn auch etwas seitlicher, damit wieder zwei Fahrspuren für Autofahrer möglich werden. Die Stadträtin der Grünen findet es gut, dass der Gemeinderat einen geschützten Radfahrstreifen auf der Theo beschlossen hat. Es sei schließlich der Wille der Mehrheit, dem Ziel einer autofreien Innenstadt näher zu kommen. Christine Lehmann glaubt nicht, dass auf lange Sicht Stadtbesucherinnen und Stadtbesucher fern bleiben, wenn Autos nicht mehr überall Vorfahrt haben. „Das Beispiel Tübinger Straße zeigt, dass auf einer Radstraße eine lebendige und gut besuchte Gastrolandschaft entstehen kann“, sagt sie.

Palast der Republik wird abgegrenzt und vergrößert

Stefan Schneider, der seit über drei Jahrzehnten den Palast der Republik betreibt, findet es nicht gut, wenn man den Autoverkehr auf der Theo Heuss zugunsten der Pop-up-Bikelane einengt. Zu dem Radweg komme bei ihm auch noch der Bauzaun der neuen Gaststätte Lautenschlager im Industriehof hinzu, der immer näher an den Palast rücke, sodass er sich doppelt eingeengt fühlt. Mit dem Ordnungsamt hat er nun ein Konzept erarbeitet, wie man den nächtlichen Andrang an seiner Bar im ehemaligen Klohäuschen in geordnete Bahnen bringen kann. Der Bauzaun des neuen Restaurants soll zurück ans Gebäude verschoben werden. Um die Flächen des gesamten Palasts der Republik wird nun eine Kordel gezogen.

„Bisher sind viele Gäste zu uns mit eigenen Bierflaschen gekommen, die sie von daheim mitbringen oder in umliegenden Wirtschaften kaufen“, sagt Schneider, „dies wird dann nicht mehr möglich sein.“ Gleichzeitig darf er weitere Bänke und Tische aufstellen, etwa auf dem Rasen, seinen Radius also erweitern.

„Auf keinen Fall dürfen wir leichtsinnig werden“

Mit dem neuen Konzept will Stefan Schneider, der am ersten Tag der Gastro-Eröffnung nach dem Lockdown wegen des Ansturms seine Bar freiwillig geschlossen hatte, dafür sorgen, dass er offen bleiben kann. Mehrere Bars sind in den vergangenen Tagen vom Ordnungsamt vorübergehend geschlossen worden, weil man gegen die Corona-Verordnungen verstoßen hatte. „Auf keinen Fall dürfen wir jetzt leichtsinnig werden“, sagt der Palast-Chef, „die zweite Welle muss unbedingt verhindert werden.“ Das Wetter bleibt schön, sodass es wieder voll wird in der City – Staus wird es vor den Bars geben und auf der Theo Heuss.