Das Start-up European Sleeper hat seinen ersten Nachtzug gestartet – und große Pläne für weitere Linien bis nach Barcelona. Die Politik will helfen. Belgiens Verkehrsminister mahnt: Auch Deutschland sollte die klimaschonenden Hotels auf Schienen mehr unterstützen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Chris Engelsman und Elmer van Buuren sind sichtlich erleichtert. Der Stress der letzten Wochen ist den beiden Gründern von European Sleeper ebenso anzusehen, als sie ihren ersten „Good Night Train“ nach Berlin am Bahnhof in Brüssel Süd mit Mitarbeitern, Unterstützern und Geldgebern feiern. „Es stecken zweieinhalb Jahre harte Arbeit in dem Projekt“, berichtet Engelsman. Und das kleine Kernteam von zehn Mitarbeitern habe zuletzt fast rund um die Uhr gewirbelt, um den Start pünktlich zu schaffen.

 

Es hat sich gelohnt, die ersten Züge fuhren pünktlich ab – und das kleine Start-up hat damit bewiesen, dass es viele Hürden überwinden kann, um neue klimaschonende Verkehrsangebote zu schaffen. Mehr als tausend Zugfans aus ganz Europa haben die niederländisch-belgische Genossenschaft mit Anteilskäufen für 2,5 Millionen Euro finanziert und freuen sich nun über den ersten Erfolg.

Tägliche Verbindung geplant

Jedes Jahr soll nun eine neue Verbindung folgen, sagt Engelsman. So bald wie möglich soll der „Good Night Train“ zwischen Berlin und Brüssel täglich statt nur dreimal in der Woche fahren. Nächstes Jahr will man die Linie bis Prag verlängern. Und im Frühjahr 2025 soll zwischen Amsterdam und Barcelona die zweite Verbindung starten, mit Halt am Abend in Rotterdam, Antwerpen, Brüssel und Lille zur Anbindung an den Eurostar von London sowie am Morgen dann in Avignon, Montpellier, Perpignan und Girona.

Dazu will European Sleeper die ersten beiden neuen Züge anschaffen. „50 bis 60 Millionen Euro Investitionen sind dafür nötig“, sagt Engelsman. Mit möglichen Geldgebern sei man in Kontakt, auch Fördertöpfe könnten genutzt werden. Das Start-up setzt dabei auch auf die Hilfe der EU-Kommission, die den Good Night Train nach Spanien als eines von zehn gewünschten Nachtzugprojekten in Europa unterstützt. „Darauf sind wir sehr stolz“, betont der Jungunternehmer. Der erste „Good Night Train“ sei für Juli und August bereits sehr gut gebucht, davor und danach gebe es noch ausreichend Kapazität.

Auch Georges Gilkinet ist beim Start des „Good Night Train“ bester Laune. Der grüne Verkehrsminister und Vizepremier der belgischen Regierung nutzt die Medienpräsenz beim Festakt, das eigene Land als Vorreiter bei der Förderung von Nachtzügen zu loben und an andere Länder zu appellieren, dem Beispiel rasch zu folgen. Belgien habe gerade als erstes Land ein Gesetz verabschiedet, wonach Nachtzügen die Kosten für Infrastrukturnutzung und Energie auf dem belgischen Streckenanteil komplett ersetzt werden.

Belgien trumpft auf

„Wir hoffen, dass besonders Deutschland sich dieses Gesetz anschaut und rasch ähnliche Schritte geht“, sagt Gilkinet. Man habe entsprechende Signale an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gesendet. Belgien hat im Haushalt zunächst zwei Millionen Euro pro Jahr für die Hilfen bereitgestellt. Das Geld fließt auch an Österreichs Staatsbahn ÖBB, für die bereits einen Nachtzug von Brüssel nach Wien fährt – und demnächst auch Brüssel-Berlin starten will, in Konkurrenz zu European Sleeper.

Dann könnte es schwer werden für das Start-up, dessen erster Zug bisher aus reichlich betagten, gemieteten und aufgemöbelten Waggons besteht. Die Schlafwagen wurden einst Mitte der 1950er Jahre in Österreich gebaut. Das mag Nostalgiker und Eisenbahnfreunde begeistern, die zuhauf und winkend an Bahnhöfen stehen.

Doch das Alter macht sich im Komfort bemerkbar: Auf der gut zwölfstündigen Fahrt über Rotterdam, Amsterdam und quer durch Deutschland bis an die Spree laufen die fast 70 Jahre alten Wagen mit ihrer betagten Federung oft so unruhig auf den Gleisen, dass manch einer kaum ein Auge zutut. Vorsorglich hat European Sleeper in die Kabinen schon kleine Kärtchen gelegt, auf denen sich das Start-up für die Unterstützung bedankt und betont, man arbeite weiter daran, das bestmögliche Fahrerlebnis zu bieten.

Verbesserungspotenzial bekannt

Auch Juri Maier sieht Verbesserungspotenzial, nicht zuletzt beim Tarifsystem, den Preisen und den Angebotskategorien. Der neue ehrenamtliche Vorsitzende von Back-on-Track Germany freut sich aber erst mal, dass nach 14 Jahren wieder ein Nachtzug zwischen Berlin und Brüssel fährt.

„Genau diese Wiederbelebung von solch wichtigen Linien ist das Ziel unseres europäischen Netzwerks“, sagt der Inhaber einer Berliner PR-Agentur, die auf Non-Profit-Organisationen spezialisiert ist und selbst den Start mitfinanziert hat. Für Back-on-Track können „Regierungsbehörden, Lobbygruppen und NGOs zeigen, dass sie Klimaschutz ernst nehmen und ihre Mitarbeitenden im Nachtzug bequem ausschlafen lassen“.