Seit einem Jahr laufen Ehrenamtliche am Freitagabend durch Korb und suchen Treffpunkte von Jugendlichen auf. Ziel ist es, ins Gespräch zu kommen. Die Erfahrungen der Nachtwanderer sind durchweg positiv.

Korb - Der Ausländer auf dem Seeplatz hat Gesellschaft bekommen. Neben der Statue des Bildhauers Guido Messer lehnen zwei junge Männer am Geländer, drum herum stehen weitere Jugendliche. Es wird erzählt, gestikuliert, telefoniert, geraucht und getrunken. Wodkaflaschen stehen auf dem Boden, gefüllte Plastikbecher daneben. „Früher hätte ich um so eine Gruppe einen Bogen gemacht“, sagt Regina Hauser und geht mit Manfred Leichnitz direkt auf die jungen Männer zu. „Ach, sind Sie auch mal wieder unterwegs?“, werden die beiden sofort begrüßt.

 

Man kennt sich. Seit gut einem Jahr sind die Korber Nachtwanderer an jedem zweiten Freitagabend in ihren gut erkennbaren roten Jacken unterwegs. Auf einer festgelegten Runde, die von der SC-Halle über die Keplerschule, die Ballspielhalle, den Jugendtreff, das Rathaus und den Seeplatz bis zur Urbanschule und nach Steinreinach führt. „Wenn wir von Bürgern gebeten werden, an anderen Plätzen vorbeizuschauen, dann machen wir das“, sagt Regina Hauser.

Um 22 Uhr geht es an der SC-Halle los. Unter den Füßen von Regina Hauser und Manfred Leichnitz raschelt das Laub, über ihnen leuchtet der Vollmond. Obwohl es ein lauer Herbstabend ist, sind die meisten potenziellen Treffpunkte der Korber Jugend verwaist. Manfred Leichnitz zeigt auf eine Bank neben dem Sportplatz an der Ballspielhalle: „Hier haben sich eine Zeit lang gerne die Jüngeren aufgehalten. Aber das verlagert sich eben immer wieder“, sagt der 52-Jährige und hebt einen Kronkorken auf. Insgesamt sind es acht Nachwanderer, die in unterschiedlicher Besetzung unterwegs sind. „Es wäre natürlich schön, wenn wir noch mehr wären, dann könnten wir jeden Freitag laufen“, sagt Regina Hauser.

Nachtwanderer werden von den Jugendlichen angenommen

Aber nicht jeder kann sich vorstellen, nachts durch den Ort zu streifen und Kontakt zu den Jugendlichen zu suchen. „Ich war am Anfang auch skeptisch, ob das funktioniert. Ich selbst hätte mich als Jugendlicher sicher gefragt, was die Alten von mir wollen“, erzählt Leichnitz. „Aber wir sind wirklich sehr positiv aufgenommen worden. Mittlerweile möchte ich dieses Vertrauensverhältnis nicht mehr missen.“

Tatsächlich werden die Nachtwanderer an diesem Abend von allen Jugendlichen freundlich aufgenommen. „Viele Erwachsene schauen von der anderen Seite des Seeplatzes zu uns rüber und beschweren sich dann, weil wir zu laut sind. Aber niemand kommt, um sich mit uns zu unterhalten“, sagt ein 21-Jähriger, der seinen Namen lieber nicht preisgeben möchte. Dass die Nachtwanderer einfach zu ihm und seiner Gruppe kommen, findet er gut.

Unterhaltungen über Gott und die Welt

Wie auch Romina Cariglino, die sich regelmäßig mit ihren Freunden auf dem Seeplatz trifft. „Mit den Nachtwanderern unterhalten wir uns dann einfach über Gott und die Welt“, sagt die 23-Jährige. Sie findet die Ehrenamtlichen sympathischer als die Sicherheitsleute, die sie schon erlebt hat. Das mag auch daran liegen, dass die Nachtwanderer den erhobenen Zeigefinger vermeiden. „Wir sind keine Hilfspolizei. Wir wollen nur mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen und gegenseitiges Verständnis wecken“, sagt Regina Hauser.

Zwar rechne es die Gemeinde Korb den Nachtwanderer an, dass die Konflikte auf dem Seeplatz nachgelassen haben, „aber ich glaube, dass sich die Szene einfach verlagert hat. Denn tatsächlich haben wir die Probleme noch nie selbst mitbekommen.“ Vor einiger Zeit haben Nachtwanderer erlebt, wie Jugendliche die Ruine in Steinreinach bestiegen haben – brenzligere Situationen gab es bisher noch nie.

Überflüssig sind die Ehrenamtlichen aber sicher trotzdem nicht. Zum einen nehmen sie konkrete Wünsche der Jugendlichen auf: „Viele haben uns erzählt, dass die Mülleimer auf dem Seeplatz zu klein seien – das haben wir an die Gemeinde weitergegeben. Genauso wie den Wunsch nach einem Bauwagen“, sagt Hauser. Zum anderen schätzen es die Jugendlichen, dass sich jemand für sie interessiert. „Dann sieht die Gemeinde, dass wir keinen Scheiß machen“, sagt ein 21-Jähriger.


Entstehung
Das Konzept stammt aus Skandinavien. In Deutschland gibt es mittlerweile etliche Gemeinden, in denen Nachtwanderer unterwegs sind – zum Beispiel in Fellbach.

Ziele
Die Nachtwanderer wollen durch regelmäßige Anwesenheit eine Form der sozialen Kontrolle schaffen, Aggressionen bekämpfen und Vandalismus eindämmen.

Mitmachen
Wer sich den Nachtwanderern in Korb anschließen möchte, kann sich bei Regina Hauser unter der E-Mail-Adresse Gemeinsamleben@leitbild-korb.de melden.