Angehende Star-Fußballer sieht der VfB an den staatlichen Eliteschulen des Fußballs in Stuttgart nicht gut genug betreut. Bei den Eltern wirbt der Verein für die private Kolping-Akademie in Fellbach. Die Stuttgarter Schulen überraschte das kalt.

Stuttgart - Joshua Kimmich, Timo Werner und Timo Baumgartl haben es geschafft. Alle drei haben sich durch das Nachwuchs-Leistungszentrum des VfB an die Spitze gekämpft, alle drei sind erfolgreiche Profifußballer – und alle drei haben trotz der hohen Trainingsbelastung ein erfolgreiches Abi am Wirtemberg-Gymnasium in Untertürkheim abgelegt. Doch nun will der VfB die Kooperation mit dem Wirtemberg-Gymnasium und den anderen Eliteschulen des Fußballs in Stuttgart beenden – und hat den Eltern seiner derzeit 63 Nachwuchs-Kadersportler ans Herz gelegt, sie stattdessen an der privaten Kolping-Akademie in Fellbach anzumelden. Die betroffenen Schulen – darunter auch Lindenrealschule, Cottaschule, Lerchenrainschule, Schickhardt-Gymnasium – zeigten sich über das Vorhaben überrascht.

 

Der VfB begründet seinen Schritt so: „Wir haben diverse Gespräche mit verschiedenen Bildungsträgern geführt und festgestellt: das Kolping Bildungswerk kann sich auf die Verzahnung von Schule und Leistungssport am besten einstellen“ – noch besser, als dies staatlichen Schulen möglich sei, sagt Markus Rüdt, der Leiter des VfB-Nachwuchsleistungszentrums. VfB-Präsident Wolfgang Dietrich erklärt: „Die ständige Weiterentwicklung des Nachwuchsbereiches hat bei uns hohe Priorität.“ Unabhängig von der Ligazugehörigkeit wolle man über Partner und Sponsoren eine Finanzierungsgrundlage schaffen und so der Nachwuchsarbeit mehr Planungssicherheit geben. „Die Kooperation mit dem Kolping-Bildungswerk und das maßgeschneiderte Bildungsmodell“, so Dietrich, „sind wichtige Bausteine für diese Weiterentwicklung und damit für die nachhaltige Ausbildung von Top-Jugendspielern – sowohl im schulischen als auch im sportlichen Bereich“.

Kolping-Akademie in Fellbach bietet mehrere Schularten unter einem Dach

Konkret bietet die Kolping-Akademie in Fellbach den jungen Leistungssportlern mehrere Schularten unter einem Dach: eine Realschule, ein neunjähriges Gymnasium, ein sechsjähriges und ein dreijähriges berufliches Gymnasium, eine zweijährige Berufsoberschule sowie drei Berufskollegs in den Ausrichtungen Musik und Sound-Design (Popcollege), Foto und Fremdsprachen. „Wir haben ein integriertes System, und wir werden den Schülern eine Anschlussgarantie geben“, erklärt Klaus Vogt, der Vorsitzende des Kolping-Bildungswerks. Der Vorteil: wer die Schulart wechsle, könne dennoch am selben Standort bleiben. Weiterer Vorteil: „Für die Schüler ist der Schulbesuch während ihrer VfB-Zeit und auch danach schulgeldfrei“, betont Vogt. Die Kosten übernimmt der VfB. Der Großteil der Nachwuchs-Fußballer werde letztlich nicht Lizenzspieler, sondern müsse sich einen normalen Beruf suchen, so Rüdt.

Weitere Vorteile dieses Konzepts seien, dass die Unterrichts- und Trainingszeiten einheitlicher gestaltet werden könnten. „Es schadet allen Beteiligten, wenn sie Zeit verlieren“, so Rüdt. „Die Jugendlichen trainieren bis zu siebenmal pro Woche 90 Minuten.“ Die Fahrt vom Leistungszentrum an der Mercedesstraße in Bad Cannstatt mit der S-Bahn nach Fellbach daure nur acht Minuten. Nach der Vormittagsschule hole ein Bus die Kadersportler aus Fellbach wieder ab, und montags, dienstags und donnerstags kämen nachmittags die Kolping-Lehrer ins Leistungszentrum, um Schulstoff zu behandeln. Dies erlaube physiologisch günstigere Trainingszeiten, so Rüdt. Auch in den Ferien könnten Kolping-Lehrer mit den Schülern Stoff nachholen. „Der Großteil der Schüler wird voraussichtlich zum nächsten Schuljahr wechseln“, kündigt Rüdt an.

Partnerschulen kennen die Gründe für den Rückzug des VfB nicht

Dies hatte der VfB Mitte Januar auch seinen bisherigen Partnerschulen mitgeteilt. Dort ist man irritiert. „Für uns kam das überraschend“, sagt Karl Weber, Vizeschulleiter des Wirtemberg-Gymnasiums, das derzeit vier VfB-Kaderspieler und mindestens 15 weitere VfB-Spieler besuchen. „Wir denken, dass wir diesbezüglich sehr gute Leistungen erbracht haben“, sagt Weber – „wir sind immer an die Grenzen der Flexibilität gegangen“. Die Kaderathleten hätten die Kernfächer gemeinsam, und die Kollegen betreuten die Sportler während Wettkämpfen oder Trainingslager auch per Internet. Das Schickhardt-Gymnasium im Süden besuchen laut Schulleiter Edwin Bartels „eine Handvoll Kadersportler vom VfB“ – „die Art und Weise hat mich schon überrascht, dass man per Mail in Kenntnis gesetzt wird“. Die Gründe kenne er nicht. „Wenn irgendwas nicht geklappt hat, muss man das auf den Tisch legen“, sagt der Schulleiter. Dies sei aber nicht erfolgt.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sagte: „Wir waren im Vorfeld nicht in diese Pläne eingebunden, deshalb sind uns auch die Beweggründe nicht bekannt.“ Die Eliteschulen des Fußballs böten Schülern sehr gute Bedingungen, um Spitzensport und schulische Laufbahn in Einklang zu bringen. „Sollten andere Sportarten diesem Beispiel folgen, wäre mittel- oder langfristig die Existenz unserer Eliteschulen des Sports gefährdet.“ Eisenmann will deshalb mit dem Landessportverband Baden-Württemberg Kontakt aufnehmen.