Die Fußballer des Traditionsvereins SSV Ulm stehen vor dem Aus – wieder einmal. Die aktuellen Schulden werden mit 420 000 Euro beziffert.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm – Wenn noch Niveau im Niedergang des einst ruhmreichen Fußballklubs SSV Ulm 1846 zu erkennen ist, dann in der kreativen Weise, in der das letzte Kapitel erzählt wurde. Es geschah in Form eines orientalischen Märchens. Ein Scheich, so raunte es zu Jahresbeginn durch die Stadt und den Verein, habe den Standort Ulm auserkoren, für 20 Millionen Euro ein Nachwuchszentrum zu bauen. Bald, ja bald, werde es eine Pressekonferenz geben, wurde interessierten Journalisten verheißen. Noch einmal schien der Traum von der großen Bundesligabühne wahr werden zu können, der seit der Jahrtausendwende nie aufgehört hat, viele Fans und Vereinsverantwortliche Tag und Nacht heimzusuchen.

 

Die Pressekonferenz gab es dann wirklich, der Vertreter einer Sportvermittlungsagentur namens MKI mit Sitz in Abu Dhabi wiederholte öffentlich das Millionenversprechen, ein Vertrag mit dem damaligen Präsidenten und Trainer Paul Sauter wurde geschlossen. Kurz darauf war der Kontrakt wieder hinfällig, stattdessen wurde ein Ulmer Geschäftsmann als Retter ausgerufen, der angeblich Geld und Spieler über seine Verbindungen nach Serbien beschaffen wollte. Pantelic heißt der Mann, der von sich selber behauptet, einmal als Geheimagent gearbeitet zu haben. Es dauerte nur ein paar Tage, dann war auch der Vertrag mit ihm obsolet geworden. Was blieb, war ein trostloser Blick in leere Kassen. Die aktuellen Schulden des Fußballvereins werden mit 420 000 Euro beziffert.

Ein Notvorstand führt die Geschäfte

Inzwischen ist auch Sauter weg, ein vom Ulmer Amtsgericht eingesetzter Notvorstand führte die Geschäfte bis zur außerordentlichen Hauptversammlung am Donnerstag Abend (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet). Auf der Tagesordnung: die Wahl eines ordentlichen Vorstandes. Doch bis zum Donnerstagnachmittag war keine Person bekannt, die sich überhaupt zur Wahl stellen würde. „Wir stehen mit beiden Beinen fest in der Luft“, ironisierte im Vorfeld ein Mitarbeiter der Ulmer Vereinsgeschäftsstelle. Wohl im Lauf des heutigen Freitag wird der 800 Mitglieder zählende Fußballverein bei Gericht Insolvenz anmelden müssen – die dritte nach 2001 und 2011. Ein eilig organisiertes Sponsorentreffen Anfang der Woche hat dem Vernehmen nach keinen einzigen Euro eingebracht. Die Pleite ist perfekt.

Die ersehnten Sponsoren stehen bei Scampi, Hirschmedaillons und gepflegten Weinen längst im Obergeschoss der neuen Ratiopharmarena und sehen den Heimspielen der Bundesligabasketballer zu. Das Mitgefühl mit dem heimischen Fußball, der in den vergangenen Jahren auch durch Sozialversicherungsbetrug und illegale Wetten von sich Reden gemacht hatte, ist aufgebraucht. Ein Mittelständler, der nicht genannt werden will, sagt: „Warum soll ich mein Geld einem Verein geben, der kein Konzept hat, aber ein Hooliganproblem?“Der ungezügelte Zorn eines Teils der Anhängerschaft macht sich in sozialen Medien Luft. Am 5. Mai schrieb der Verein auf seiner Homepage: „Wir fordern alle, insbesondere die Nutzer der sozialen Netzwerke auf, dass die aggressiven Vorwürfe und persönliche Hetze gegenüber einzelnen Personen des Vereins unterbleiben.“ Der Verein prüfe „rechtliche Schritte“. Die Furcht der Verantwortlichen kam nicht von ungefähr; vor der Geschäftsstelle hatten Unbekannte einen Galgen platziert. Außerdem soll es anonyme Morddrohungen gegeben haben.

Die Spatzen auf einem Abstiegsplatz

Aktuell stehen die Ulmer Spatzen in der Regionalliga auf einem Abstiegsplatz. Rechnerisch können sie sich noch retten, zudem ist da noch die Hoffnung, dass der eine oder andere höherklassige Club die Lizenzhürden nicht schafft. Doch selbst im Fall des Nichtabstiegs wäre unklar, wie ein Etat für die nächste Saison aufgestellt werden sollte. Der Gemeinderat gibt sich, nach vielen Geldspritzen in den vergangenen Jahren, unerbittlich. „Auch in der Kreisliga B gibt es faszinierende Begegnungen“, sagt der Oberbürgermeister Ivo Gönner.

Leid tue es ihm um die Jugendlichen, die mit Feuereifer für ihren SSV spielten und trainierten, sagt der Mitarbeiter der Geschäftsstelle. 16 Jung- und drei Mädchenmannschaften vertreten aktuell die Farben der Spatzen in verschiedenen Spielklassen, und das mit Erfolg. Zwei Jugendmannschaften können in der laufenden Saison sogar noch in die jeweiligen Bundesligen aufsteigen. Vor allem die benachbarten Proficlubs aus Aalen und Heidenheim werden sich freuen, das zu hören.