Bisher konnte Stuttgart das jährliche Defizit aus dem Bus- und Bahnbetrieb der SSB-Flotte über Erlöse aus Geldanlagen ausgleichen. Diese Kasse leert sich.

Stuttgart - Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) will ihr Angebot in den nächsten Jahren ausbauen und die Qualität mit neuen Fahrzeugen halten, gleichzeitig muss viel Geld in die Erneuerung der bestehenden alten Substanz fließen. Das Defizit des städtischen Betriebes steigt daher von 32,8 Millionen Euro in diesem Jahr laut Plan auf bis zu 74,5 Millionen Euro in 2024. Voraussichtlich bis dahin kann die Stadt das SSB-Finanzloch von dann insgesamt bis zu 303 Millionen Euro durch Geldanlagen der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (SVV) schließen. Doch danach wird auch bei der 1962 gegründeten SVV die Luft dünn.

 

Die Holdinggesellschaft SVV hatte Ende 2019 rund 444 Millionen Euro in Fonds angelegt. In der Holding werden Gewinne und Verluste der Stadtwerke, des Hafens und der SSB steuersparend verrechnet. Viele Jahre konnte man bei der SVV aus dem Vollen schöpfen, doch der Topf leert sich angesichts der horrenden Defizitzahlen. Bald müssen Busse und Bahnen daher anders finanziert werden.

Rekordverlust im Jahr 2025

„Nach dem Jahr 2024 geht der Nahverkehr zulasten des städtischen Haushalts“, sagt Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU), denn auch die Stadtwerke stünden „mit der urbanen Energiewende vor großen Herausforderungen“. Auch sie brauchen massiv Geld aus der SVV-Holding für Investitionen in die Klimawende. Diese „politisch gewollte Wende birgt ein Defizit“, sagt Fuhrmann. So pocht die Stadt zum Beispiel gegenüber der EnBW auf die Übernahme der Fernwärme-Infrastruktur und gegenüber der EnBW-Tochter Netze BW auf den Kauf des Wassernetzes. Allein für das Wassernetz will Netze BW mehr als 348 Millionen Euro haben. Das Wärmenetz soll mit kleinen Erzeugungsanlagen ausgebaut werden.

Für 2025 sieht die Planung bei der SSB AG einen tiefroten Abschluss von minus 98,5 Millionen Euro vor. 16,2 Millionen davon seien noch durch die Nachwirkungen von Corona bedingt, berichtete Finanzvorstand Mario Laube dem Aufsichtsrat, 12,4 Millionen werden Sondersachverhalten zugerechnet. Womöglich ist das Defizit also geringer, doch selbst unter besten Bedingungen rechnet man mit einem Minus von 70 Millionen Euro. So viel hat der Bau der Stadtbibliothek gekostet. In den Folgejahren will der Betrieb den Fahrgästen mit 40 neuen Stadtbahnen weiterhin ein gutes Angebot machen. Ein neuer Betriebshof kommt dazu. „Die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs hochzuhalten hat seinen Preis“, bilanziert Fuhrmann, der von 2025 an eine neue große Ausgabenposition im Haushalt unterbringen und sie ausgleichen muss.

Grüne für neue Finanzierungsquelle

Überlegungen im Land, öffentlichen Verkehrsbetrieben neue Finanzierungsquellen zu eröffnen, hält Fuhrmann angesichts der Kassenlage nicht für abwegig: „Selbstverständlich begrüße ich neue Finanzierungsmöglichkeiten für den Nahverkehr.“ Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte Mitte November eine Citymaut oder eine Nahverkehrsabgabe, also einen Zwangsobolus von Autofahrern oder von allen Einwohnern, begutachten lassen. Kommunen sollten selbst entscheiden, welche Variante sie nutzen. Bisher ist Hermann mit seinem Ansinnen beim Koalitionspartner CDU gescheitert. Einige Städte und Gemeinden zeigten sich jedoch aufgeschlossen.