Christian Maresch hat mit Tante-M ein Konzept entwickelt, das Dorfläden am Leben halten soll. Mit längeren Öffnungszeiten und wenig Personalaufwand sollen sich diese wieder rechnen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Esslingen - In kleineren Landgemeinden, aber auch in größeren Stadtbezirken stellt sich oft das gleiche Problem: Schließt das letzte, alteingesessene Lebensmittelgeschäft, ist das Kapitel Nahversorgung damit in aller Regel beendet. Versuche, den örtlichen Bäcker als Ersatz mit einem entsprechenden Warenkontingent auszustatten oder einen genossenschaftlich beziehungsweise ehrenamtlich betriebenen Dorfladen auf die Beine zu stellen, scheitern häufig, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Mit seiner Chrisma GmbH hat Christian Maresch, ein 40-jähriger Unternehmer aus Pliezhausen im Kreis Reutlingen, aber ein Modell entwickelt, das zu funktionieren scheint. Tante-M soll Tante Emma ersetzen. Immer mehr Kommunen interessieren sich für die Idee.

 

Wie geht Tante-M? Das Konzept kombiniert die klassische Nahversorgung mit den aktuellen Anforderungen der Kundschaft. Wenn man so möchte, sind die Tante-M-Läden begehbare Automaten, die an sieben Tagen in der Woche von 5 bis 23 Uhr geöffnet haben. Die Geschäfte liegen alle zentrumsnah, sind nicht größer als 100 Quadratmeter und barrierefrei erreichbar. Kassiererinnen und Kassierer gibt es bei Tante-M nicht, die Kunden scannen ihre Einkäufe selbst. Der Personalaufwand ist also überschaubar. „Weil an vielen Stellen die Nahversorger verloren gehen, treffen wir offensichtlich den Nerv der Zeit; und zwar nicht nur bei älteren Menschen, sondern auch bei jungen Familien“, sagt Maresch.

Wo gibt es Tante-M? Mit der Umsetzung seiner „Schnapsidee“, wie Maresch selbst sein Konzept nennt, hat er im Juli 2019 in Grafenberg (Kreis Reutlingen) begonnen. Weitere Tante M-Läden gibt es bis jetzt in Pliezhausen, in Gruibingen (Kreis Göppingen), in Winzerhausen (Kreis Ludwigsburg) sowie in Kohlberg und in Tischardt. Ein dritter Laden im Kreis Esslingen wird im Januar in Lenningen-Schopfloch eröffnet. Auch in Nürtingen besteht in zwei Stadtteilen ein konkretes Interesse. „Ende nächsten Jahres stehen wir sicher bei rund 20 Filialen“, schätzt Maresch, wobei die Nachfrage größer sei. „Es gibt etwa drei Dutzend zusätzliche Orte aus dem Großraum Stuttgart, die bereits warten. Hinzu kommen Anfragen vom Bodensee bis nach Franken“, ergänzt der 40-Jährige. Für eine weitere Expansion gibt es aus seiner Sicht „keine Grenzen“. Die Logistik erfolge direkt vor Ort, und die großen Lieferanten seien ohnehin überall unterwegs.

Was wird angeboten? Das Sortiment umfasst etwa 1200 Artikel des täglichen Bedarfs: Lebensmittel aller Art und Getränke, aber auch Drogerieprodukte und gegebenenfalls Schreibwaren. Frisches Obst und Gemüse sowie Eier, Kartoffeln und regionale Spezialitäten werden von lokalen Erzeugern bezogen. Frische Backwaren können ebenfalls angeboten werden, sofern es vor Ort keinen Bäcker mehr gibt. „Wir suchen nach Partnern und Zulieferern , die unseren Weg mitgehen wollen“, sagt Christian Maresch. Ein Mitspracherecht beim Sortiment haben auch die Kunden. Bei Tante-M gibt es Wunschlisten für Dinge, die benötigt, aber vermisst werden. Was es in den Geschäften indes nicht gibt, sind Alkoholika, Zigaretten oder andere altersbeschränkte Produkte. „Wo nur selten Personal anwesend ist, kann der Jugendschutz nicht kontrolliert werden“, erklärt der Betreiber den Grund.

Wie sind die Preise? Nicht anders als in normalen Supermärkten. Gerundet wird jedoch grundsätzlich auf glatte ZehnCent-Beträge: 1,99 Euro oder 3,33 Euro gibt es bei Tante-M nicht. Für frisches Obst und Gemüse werden heruntergerechnete Stückpreise verlangt. So entfällt für die Kundinnen und Kunden das Abwiegen.

In welcher Form wird bezahlt? Zunächst müssen die Einkäufe an der Kasse gescannt oder – sofern sie, wie etwa Äpfel oder Eier, keinen Barcode haben – auf dem ebenso großen wie übersichtlichen Display eingetippt werden. Bezahlt werden kann auf vier Arten: bar und passend, mit jeder gängigen EC- oder Kreditkarte, per Handy oder mit einer vorher aufgeladenen Kundenkarte. „Unsere Erfahrung ist bis jetzt, dass das jeder hinbekommt“, fasst Maresch seine Eindrücke zusammen.

Gibt es mehr Diebstähle? „Bei uns wird nicht mehr geklaut, als in anderen Lebensmittelgeschäften“, betont der Tante-M-Macher. Eine Online-Video-Überwachung gekoppelt mit einem Produktschutz gewährleiste, dass die Quote im Rahmen bleibe. „Aber selbstverständlich zeigen wir alle Diebstähle an und gehen ihnen auch nach“, fügt er hinzu.

Welcher Service wird geboten? In jedem Tante-M-Laden gibt es drei Zeitfenster, in denen Personal anwesend ist. Die Servicekräfte schauen nach dem Rechten, füllen Waren auf und stehen der Kundschaft bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite. Außerdem gibt es bei ihnen die Kundenkarten, die direkt im Geschäft, aber auch via Internet aufgeladen werden können.