Die Nahversorgung in Ditzingens Stadtteil Schöckingen liegt brach. Nun haben die Bürger wieder einen Bäcker. Der Familienbetrieb Diefenbach hat eine Filiale geöffnet.

Ditzingen - Es ist der Ausruf der Erleichterung, den man derzeit von den Menschen im Ditzinger Stadtteil Schöckingen hört. „Gott sei dank haben wir wieder einen Bäcker. Das ist ein Segen und so notwendig für mich als Alleinstehender“, sagt Walter Schmid. Der 96-Jährige ist darauf angewiesen, dass sein Sohn ihm die Einkäufe erledigt – außerhalb von Schöckingen. Im Sommer 2017 hatte die Stuttgarter Bäckerei Hoffmann ihre Filiale zugemacht, und seitdem liegt in Ditzingens kleinstem Stadtteil mit fast 2000 Einwohnern die Versorgung mit Lebensmitteln nahezu brach.

 

Vor einer Woche jedoch hat sich die Situation verbessert: Der Ditzinger Familienbetrieb Diefenbach hat eine Bäckereifiliale in der Ritterstraße eröffnet. Seine Backwaren kann Walter Schmid nun selbst besorgen. „Immer am Donnerstag kommt ein Metzger in Schöckingen vorbei. Meine Einkäufe kann ich dadurch prima verbinden“, freut sich Walter Schmid. Neben einer kleinen Auswahl an Milchprodukten bietet Diefenbach auch etwas Wurst an.

Benjamin Krieger aus dem Stadtteil Hirschlanden arbeitet in Schöckingen. Er erzählt, dass er zum Mittagessen bislang nach Hirschlanden gefahren sei oder sich ein Vesper mitgebracht habe. „Nun kann ich meine Mittagspause vor Ort verbringen. Es ist gut, dass der Bäcker durchgängig offen hat“, sagt der 25-Jährige. Monika Schyra aus dem Korntal-Münchinger Stadtteil Münchingen schätzt die Bäckerei auch als Treffpunkt. „Man kommt mit Leuten ins Gespräch, die man nicht kennt“, sagt die 64-Jährige, deren Freundin in der Bäckerei arbeitet. „Ich bin fast jeden Tag hier.“ 15 Sitzplätze hat die Filiale.

Ein Ort der Begegnung

Für den Schöckinger Ortsvorsteher ist der Bäcker nicht nur wegen der Nahversorgung wichtig. „Mobile Bürger sind ständig unterwegs. Sie haben kein Problem, an Lebensmittel zu gelangen. Die Schöckinger haben aber endlich wieder das Gefühl, dass sie nicht so abgeschottet leben“, sagt Michael Schmid. Außerdem könnten Eltern ihre Kinder zum Brötchen holen schicken, was die Selbstständigkeit fördere. „Man hat eine andere Lebensqualität, wenn man für frische Brötchen nicht mehr ins Auto steigen muss“, sagt Michael Schmid. Ein Bäcker, findet der Ortsvorsteher, sei mehr als Einkaufen, „er ist immer auch ein Ort der Begegnung,“

Dass die Schöckinger mit dem vorigen Bäcker unzufrieden waren und dort immer weniger gekauft haben, war offenbar der Grund für die Schließung. „Die Qualität war nicht besonders toll. Dafür war der Bäcker recht teuer“, sagt Benjamin Krieger. Ditzingens Oberbürgermeister Michael Makurath formuliert es so: „Der letzte Anbieter hat sich nicht behauptet. Er wurde den hohen Ansprüchen der Schöckinger nicht gerecht. Diefenbach gelingt das hoffentlich.“

Gegenüber weiteren Händlern sei die Stadt aufgeschlossen. Doch dem OB ist bewusst, wie schwer sich kleine Orte wie Schöckingen damit tun, Gewerbetreibende zu gewinnen, zumal der Lebensmitteleinzelhandel sich auf große Flächen konzentriere. „Die Händler fragen sich, wie viele Kunden sie zum Überleben brauchen“, sagt Michael Makurath. Von den Umsätzen mit vergessener Butter könne keiner Wirtschaftlichkeit erzielen, sagt der OB mit Blick auf die mobile Bevölkerung. Angesichts der fehlenden Konkurrenz könne Schöckingen sich für Händler allerdings durchaus lohnen.

Tante-Emma-Laden und Metzger seit Jahrzehnten weg

Und wie ist das Geschäft in Schöckingen angelaufen? Der Bäckerei-Chef Hartmut Diefenbach äußert sich positiv. „Ich bin zufrieden. Die Resonanz ist gut“, sagt der 60-jährige Bäckermeister, der keine Zahlen in der Zeitung lesen will. Da er im Februar seine Filiale in Münchingen schließen musste, weil Lidl den Vertrag gekündigt hatte, ist er froh über den Laden in Schöckingen. Von den Mitarbeiterinnen heißt es, dass es nur zur Mittagszeit etwas ruhiger werde. „Die Schöckinger müssen sich noch daran gewöhnen, dass wir durchgehend offen haben“, sagt eine Verkäuferin und lacht.

Ganz Schöckingen hofft, dass Diefenbach dauerhaft bleibt. Einen Bäcker, sagt der Ortsvorsteher Michael Schmid, habe es immer gegeben, außer im vergangenen halben Jahr. „Geschäfte wie der Metzger oder der Tante-Emma-Laden sind aber schon seit Jahrzehnten weg.“ Die Grundversorgung habe sich etwa mit dem Netto-Markt seit 2004 in Hirschlanden zwar wieder verbessert, „doch der fehlende Bäcker war ein Problem“, sagt Michael Schmid. Er glaubt, dass die Vakanz dem Stadtteil gutgetan habe. „Die Bürger haben gemerkt, was es bedeutet, nichts zu haben. Das sorgt hoffentlich für die nötige Unterstützung, damit es sich für den neuen Bäcker lohnt.“