Naked Lunch aus Klagenfurt haben im Zwölfzehn in Stuttgart ein kleines Indie-Fest gefeiert. Der gesetzte Sound der vier Österreicher war gerade richtig für einen Montagabend. Und am Ende gab es noch den einen, großen Pop-Moment.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wenn einer wie Naked Lunch seit mehr als zwanzig Jahren im Geschäft ist, dann macht einem keiner mehr was vor. So souverän, wie die vier Österreicher am Montagabend im dreiviertelvollen Zwölfzehn ihre Songs vortragen, die Zwischenrufe der Zuschauer parieren und sich ganz abgeklärt an dem von ihnen gestalteten Abend begeistern – so würde man sich mehr Pop- und Indie-Abende in den hiesigen Clubs wünschen. Was auch am Publikum liegt.

 

Einer Band wie Naked Lunch hören natürlich nur unterdurchschnittlich viele Teenies zu. Auch wenn es andere Leute gibt, die sich während des Konzerts gern lautstark unterhalten: Bei den Songs von Naked Lunch, die mit einem großen Spektrum zwischen laut und leise, viel Dynamik und teils sparsamer Instrumentierung aufwarten, ist es im Publikum: ruhig. Man hört aufmerksam zu. Indie und Pop für Leute, die wissen, warum sie hier sind. Die in diesem Zusammenhang gern geschmähten Jutetaschenträger sind deutlich in der Unterzahl.

Songs, keine Show

Man konzentriert sich also ganz auf die Musik. Naked Lunch lassen – vom durchaus ernsthaft vorgetragenen Appell, dem Österreicher Martin Harnik beim VfB Stuttgart mehr Spielzeit zu gewähren – größere Ansagen zwischen den Songs weg und sie sortieren sich schonmal eine halbe Minute lang, ehe der nächste Song folgt. Aber die Songs, die sie vortragen, beginnen dann ganz plötzlich – etwa die aktuelle Single „The Sun“ im Zugabenblock, die live trotz Akustikgitarre noch ein ganzes Stück rockiger kommt als in der Studioversion.

Zu den Zugaben lässt sich die Band (gespielt oder nicht) nur mit einiger Überzeugungsarbeit aus dem Publikum bewegen, hat dann aber offenbar doch großen Spaß und legt einen großen Pop-Moment nach – dazu mehr am Ende dieses Textes.

Diese Band traut sich was

Das gut anderthalbstündige Konzert zeigt eine reife Band, die sich was traut – etwa nackte, elektronische Rhythmen zum Gesang von Oliver Welter oder mehrschichtige Disharmonien mit Synthesizer, Gitarre und dem fast schon stilprägenden Hintergrundgesang von Bassist Herwig Zamernik.

Die in den Neunzigern als klassische Alternative-Rocker gestarteten Österreicher waren damit mal ganz vorne dabei (etwa auf ihrem Album „Songs for the Exhausted“), wozu auch die Kontakte in die Weilheimer Indie-Szene nützlich waren. Gemeinsam mit The Notwist und Konsorten sind Naked Lunch auf ihrem Terrain des deutschen alternativen Indie-Pop bis heute stilprägend.

„Shine on“ ist der Pop-Moment des Abends

Allen musikalischen Wandlungen und persönlichen Wendungen in mehr als zwanzig Jahren Bandgeschichte zum Trotz ist der Sound von Naked Lunch am Montagabend kohärent. Die ruhigeren Songs erinnern an die US-Band Eels, sind aber ein ganzes Stück weniger melancholisch – hellgrau, könnte man sagen, und damit deutlich näher am auch 2013 hell leuchtenden Stern namens Pop.

Nicht nur die Single „The Sun“ hat bei diesem Naked-Lunch-Konzert etwas mit Leuchten zu tun. Im Zwölfzehn sorgt ein halbes Dutzend riesiger Glühlampen dafür, dass das Licht stimmt – Wohnzimmeratmosphäre, die längste Zeit sparsam eingesetzt und dabei nicht weniger effektvoll. Ganz zum Schluss geht Stuttgart sogar noch ein herzerwärmendes Lichtlein auf: „Shine on“ vom aktuellen Album „All is Fever“ wird in der Männergesang-mit-Gitarren-Version zum strahlenden Abschluss dieses überaus vielseitigen Abends. „Ihr seid alle Hippies!“, ruft Oliver Welter seinen Kollegen noch zu. Da aber singen die schon selig „Shine On“. Und alle strahlen.