Gleich nach Madonna ist sie die erfolgreichste Sängerin der Welt, noch immer: In der Stuttgarter Liederhalle hat Nana Mouskouri erneut ihre Größe bewiesen.

Stuttgart - Sehr früh an diesem Abend bittet sie ihr Publikum, in französischer Sprache, während des Konzerts auf das Smartphonefoto zu verzichten. Ein mit tausend Besuchern gut besetzter Saal applaudiert. Allein dies sagt viel aus über die Künstlerin und ihr Publikum.

 

Nana Mouskouri wurde 1934 in der kretischen Hafenstadt Chania geboren. Sie ist 84 Jahre alt, sie gilt heute noch, nach Madonna, als erfolgreichste Sängerin der Welt, wurde ausgezeichnet mit mehr als 300 Schallplatten in Gold, Platin, Diamant. Ihr Konzert im Beethovensaal der Liederhalle beginnt mit Lichtbildern, die einen Rückblick auf ihre Karriere geben. Die Bilder führen zurück bis in die 1950er Jahre. Jenes Album, das sie 1961 in New York mit Quincy Jones aufnahm, „The Girl from Greece sings“, wurde erst spät entdeckt, als sie längst zur Schlagerikone avanciert war.

Nana Mouskouri pflegte auf ihren Alben stets die Vermischung der Stile – aktuelle Popsongs fanden dort neben Jazzstandards, Chansons, Folklore und dem Schlager ihren Platz. Nicht anders verhält es sich auf „Forever Young“, ihrem 134. Album, veröffentlicht im Februar mit sehr durchmischten Kritiken: eine große Stimme, so erschien es manch einem Hörer, verblasst. Und so kommt es den Besuchern des Stuttgarter Konzert zunächst ebenfalls vor.

Von Lied zu Lied erblüht sie mehr

Nana Mouskouri beginnt mit ihrem „Gloria Aeterna“ von 1989, lässt „Scarborough Fair“ folgen, einen Folksong, populär durch Simon and Garfunkel, dann Bette Midlers „The Rose“ in einer deutschen Version. Charles Aznavours „La Jeunesse“ ist ein Lied, das davon handelt, wie die Jugend verfliegt, Bob Dylans „Forever Young“ eines, das behauptet, dass sie dauert. Oft klingt Nana Mouskouris Stimme erst brüchig, mit schwachem Ton, Vibrato. Gerade bei „Forever Young“ scheint sie dem Original bedenklich nahe zu kommen. Wie sie all dies abschüttelt, wie bis zum Ende ihres Konzerts die Jahre von ihrer Stimme zu fallen scheinen, wie sie buchstäblich von Lied zu Lied erblüht, die Sängerin sich singend verjüngt – das ist erstaunlich und lässt das Konzert zu einem besonderen Erlebnis werden.

Schon beim Medley, zu dem „La Provence“, ihr Hit aus dem Jahr 1981, und das mexikanische „Cucurrucucú Paloma“ gehören, gewinnt Nana Mouskouri fast die ganze Palette ihrer Ausdruckskraft und Modulationsfähigkeit zurück. Zum ersten Mal an diesem Abend erheben ihre Zuhörer sich, um zu applaudieren.

Begleitet wird sie von einer Band, welche die Facetten des populären Lieds mit ebenso großer Leichtigkeit beherrscht wie sie selbst. Ihr Schlagzeuger ist Multi-Instrumentalist, begleitet sie auch mit Flöte, Mundharmonika, Baritonsaxofon; ihr Pianist beginnt Leonard Cohens „Halleluja“ als ein Jazzstück, ihr Gitarrist verwandelt „Amazing Grace“ in einen bluesgetränkten Rocksong – und Nana Mouskouri bleibt nicht zurück.

Sie adelt den Schlager

Mouskouri verbeugt sich an diesem Abend auch vor Amy Winehouse, sie singt „Love is a loosing Game“, stellt die jung Verstorbene in eine Reihe mit Edith Piaf, Marlene Dietrich, Judy Garland. Momente großer Leichtigkeit und Fröhlichkeit werden abgelöst von einem Pathos, das kraftvoll, aber nie gekünstelt ist. Und wenn Nana Mouskouri Schlager singt, etwa „Weiße Rosen aus Athen“ von 1961, dann lässt sie sich nicht herab zu diesem Genre – sie erhebt es.

Auch „Guten Morgen, Sonnenschein“, das Lied, das Rolf Zuckowski 1977 für sie schrieb, gehört zu ihrem letzten Medley. Sie verabschiedet sich mit „Ta Paidia Tou Pieria“, dem Lied, das Melina Mercouri 1960 in Jules Dassins Film „Sonntags . . . nie!“ sang – „Ein Schiff wird kommen“, heißt es auf Deutsch. Längst drängen die Zuschauer zur Bühne, und Nana Mouskouri, die lacht und Hände schüttelt, stört sich nun auch nicht mehr an den Smartphones, die sich auf sie richten.