Einen tollen Vorgeschmack auf den großen Narrenumzug der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischen Narrenzünfte hat am Samstagabend eine in Stationen ablaufender Querschnitt durch das närrische Brauchtum gegeben – mit einer Hexenverbrennung auf dem Neckar als Höhepunkt.

Stuttgart - Eben noch hatte ein Sonderzug mit 600 Narren aus dem Hegau den Bahnhof geflutet, und in der Marktstraße geht es nicht minder eng zu. Arbeit also für die Sachsenheimer Narren, die jetzt mal Räumdienst machen dürfen nach der Parole: „Mehr Breite in der Länge!“ Denn vorne warten schon die Salzhansel aus Bad Dürrheim, um den zweistündigen Streifzug durch das Brauchtum der schwäbisch alemannischen Fasnet zu starten.

 

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Erst einmal kommt aber ein Fanfarenzug um die Ecke, und Musik hat immer Vorfahrt bei der Narretei! Dann aber ist am Jakobsbrunnen Platz für den Salzhansel-Tanz, den die Narren in ihren aus 800 weißen Leinsäckchen genähtem Häs als Reminiszenz an die Salzsiederei aufführen. Und so, wie sie da in einer Art Narren-Quadrille mit ihren gelochten Harken agieren, muss das Schaffen in der Saline eine einzige Freude gewesen sein.

Kein Klamauk, aber mit viel Spaß

Brauchtum und Bezüge zur Stadtgeschichte sind auch bei der Narrenzunft Grünwinkel aus der Storchenstadt Geisingen im Spiel, schon mit den Motiven der Bemalung auf dem Häs dieser klassischen Weißnarren, deren barocke Glattlarven mit einem feinen Kranz aus schwarzem Rosshaar gefasst sind. So hat die Tour durch die historische Altstadt, die an diesem Abend von Brunnenstation zu Brunnenstation führt, von Anfang an etwas von einem närrischen, open Air in Szene gesetzten Brauchtumsabend.

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Kein Klamauk also, aber viel Spaß, von dem sich das Publikum, das das Geschehen dicht gedrängt quer durch die Stadt verfolgt, ohne weiteres anstecken lässt. Ganz aus dem Häuschen sind etwa Stefanie und Svenja, die in Stuttgart studieren und keine Zeit hätten, ihre heimische Narretei in Endingen und Ehingen zu teilen: „Und jetzt haben wir alles und noch viel mehr vor der Haustüre!“, jubilieren sie und zücken gerne die vier Euro fürs Kübele aus Holz, Emblem für den Narrensprung: „Das kommt zuhause an die Narrenleiter, da hängt schon viel dran!“

Hexen reiten auf ihren Besen durch Cannstatt

Sowieso kommt jetzt Fahrt in die Sache, wenn die Hexen, angefeuert von der Narrenkapelle, ihren Hanseleschottisch als Ritt auf dem Besen tanzen, den halben Purzelbaum rückwärts machen und mit ihren knorrigen Larven, Glubschaugen und eine Kinnlade wie ein Schaufelbagger, das Publikum ein bisschen zu schrecken suchen. Am Erbsenbrunnen ist der Butzentanz der Hirrlinger Butzenzunft schon voll im Gange. Und wer nicht mehr nach vorne durchkommt, dem hilft auch mal das Handy am Stick, um das Geschehen heranzuholen. Und wo soviel Rauch ist, da muss auch Feuer sein für einen wilden Hexentanz!

Halligalli ist auch am Alten Rathaus, wie die Narrenzunft Vetter Guser aus Sigmaringen Narrentradition satt präsentiert: mit dem sogenannten Bräuteln mit Fanfarenzug, bei dem frisch verheiratete Männer, Silber- und Goldhochzeiter auf einer Stange Sitzend um den Weinpressenbrunnen getragen werden. Wohl wissend, dass im Mittelalter Brunnen als der Vorhöfe der Hölle galten! „Nauf auf d’Stang!“ heißt es, und aus „protokollarischen Gründen“ ist der Nichtjubilar und Sauerwasser-Schultes Bernd-Marcel Löffler als Erster dran. Die Stange aber ist gut gepolstert, und so schwebt die Obrigkeit überm Narrenvolke, unter das sie gnädigerweise einen ganzen Waschkorb voll Fasnetsküchle schmeißt.

Höhepunkt ist die Strohhexen-Verbrennung

Was die Plätzlerzunft Altdorf-Weingarten, deren Tradition bis zur Zeit der Bauernkriege zurückreicht, dann am Holzmarkt ins Werk setzt, das ist mit den vielen Figuren und der Inszenierung ein eigenes kleines Kompendium närrischen Brauchtums. Rössle, Lauratalgeister, ein Schalknarr, die Roten Plätzler. Oder Plätzler in rotweißem Fleckenhäs, die mit ihren drei meterlangen, geflochtenen Hanfpeitschen allein schon eine Wucht sind. Locker geben sie den Off Beat sogar gegen das große Abendgeläute der Stadtkirche!

Höhepunkt am späten Abend ist dann die Strohhexen-Verbrennung durch die Offenburger Hexenzunft am Mühlgrün, zu der sich unzählige Zuschauer an beiden Ufern des Neckars sammeln, während die Wilhelmsbrücke zur großen Tribüne wird. Der Brauch, mit dem die Offenburger jeweils am Fasnachtsdienstag symbolisch die Fasnet verbrennen, findet auf einem Ponton auf dem Neckar statt. Und weil die Aktion um eine mächtige Strohpuppe pyrotechnisch aufgerüstet ist, wird das auch ein hübsches Spektakel mit Funkenrädern, Sprühfontänen und Rauch und Funkenflug, von dem das närrischer Volk dank wechselnder Winde auch rundum etwas abbekommt.

Am Ende gibt es auch noch Sprünge über den Riesenhaufen von Gluscht, wobei die Funken dermaßen stieben, dass den Narren regelmäßig die Waden abgeklopft werden müssen. Dann wenden sich Narren sdamt Narrenvolk wieder Richtung Altstadt, wo auf Plätzen, an den Ständen und in den Kneipen längst Hochbetrieb herscht. Sperrstunde ist erst um fünf Uhr. Betsch aber ist sicher: „Das werden wir auch brauchen! Voll und ganz!“