Jahrhunderthochwasser soll es künftig nicht mehr geben. Deshalb sollen Milliarden in die Prävention fließen. Der Bund greift den Ländern dabei unter die Arme.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Eigentlich ist Hochwasserschutz eine Aufgabe der Länder. Aber aus der jüngsten „Jahrhundertflut“ im Sommer vor zwei Jahren zogen die Verantwortlichen in Bund und den 16 Ländern die Lehre, dass sie sich mit vereinter Kraft gegen solche Naturkatastrophen wappnen müssen. Noch vor der Bundestagswahl wurde verabredet, dass man gemeinsam eine bessere Prävention auf den Weg bringen will. Im vergangenen Oktober haben die 17 Umweltminister sich dann auf ein nationales Hochwasserschutzprogramm verständigt, und jetzt hat der Bund seine Finanzzusagen für die ersten vier Jahre dieser Mammutaufgabe konkretisiert. Zwar sind im laufenden Bundeshaushalt erst 20 Millionen Euro eingestellt, aber in den Folgejahren bis 2018 sollen es laut mittelfristiger Finanzplanung dann jeweils 100 Millionen Euro werden. Das teilten die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und der Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Berlin mit.

 

Polder sollen 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser fassen

Damit ist immerhin der Anfang gemacht. Welche Wegstrecke Bund und Länder zurücklegen müssen, lässt sich erahnen, wenn man die Gesamtinvestitionen ins Auge fasst: An den fünf zentralen deutschen Flüssen – Rhein, Donau, Elbe, Oder und Weser – müssen insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro in mehr als hundert Maßnahmen investiert werden. Insgesamt sollen durch die Rückverlegung von 29 Deich- und die Schaffung von 57 Polderanlagen 20 000 Hektar Überflutungsfläche entstehen, die im Notfall 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser aufnehmen können.

Etwa zwanzig Jahre wird es dauern, dieses nationale Notprogramm vollständig umzusetzen. Das Risiko von Überschwemmungen bleibt vorerst also bestehen. Umweltministerin Barbara Hendricks hat sich deshalb darauf eingestellt, bis auf Weiteres in den Sommermonaten immer mal wieder bange Blicke gen Himmel zu richten und nach Indizien für heftigen Regen Ausschau zu halten. So hat sie es 2014 auch schon gehalten, weil die jüngeren Flutkatastrophen überwiegend die Folge von sommerlichem Starkregen waren. Wenn es dazu komme, „können wir nur sagen: Wir haben das Problem erkannt und mit der Umsetzung von Schutzmaßnahmen begonnen“, sagte sie. Agrarminister Christian Schmidt ergänzte, dass die Bundesregierung als ersten Schritt den Begriff „Jahrhunderthochwasser“ aus ihrem Wortschatz gestrichen habe. „In Wahrheit müssen wir uns auf wiederkehrende und nicht kontrollierbare Hochwasser einstellen.“ Wenn alles wie geplant umgesetzt wird, soll allein durch Polder der Scheitelpunkt einer Flut an der Elbe um bis zu 79 Zentimeter, an der Donau um 1,60 Meter gesenkt werden können. So haben es jedenfalls die Experten der beteiligten Ressorts errechnet.

„Wir müsswen die Natur als Auffangfläche nutzen“

„Es bleibt kein anderer Weg, als die Natur als bestmögliche Auffangfläche zu nutzen“, betonte der Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Weil der Großteil dieser Flächen derzeit landwirtschaftlich genutzt werde, sollten die betroffenen Bauern für Ernteausfälle entschädigt werden; wenn Feldern nur allen zehn Jahren eine Flut drohe, ist der Ackerbau nach Schmidts Einschätzung weiterhin sinnvoll. Zudem soll die öffentliche Hand Flächen kaufen, denen Überschwemmungen besonders häufig drohen. Einig sind Schmidt und Hendricks aber darin, dass es sinnvoller ist, präventiv etwas gegen die Flutgefahr zu tun, als nach dem nächsten Hochwasser wieder Milliardensummen in den Wiederaufbau zu stecken, stecken zu müssen.

Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, begrüßte die Regierungspläne als „ersten Schritt einer neuen Flusspolitik“. Neue Auenflächen verbesserten nicht nur den Hochwasserschutz, sondern dienten auch dem Tier- und Pflanzenschutz. Die Möglichkeiten seien jedoch bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Peter Meiwald, sagte, das Programm weise in die richtige Richtung, gehe aber nicht weit genug.

Wahrscheinlich sind auch die Länder mit dem Engagement des Bundes nicht völlig zufrieden. Jedenfalls formulierte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), damals noch Vorsitzender der Umweltministerkonferenz, im Herbst noch die Erwartung, dass der Bund einen Finanzanteil von 70 Prozent übernehmen werde. Der schultert nun aber lediglich 60 Prozent. Hendricks und Schmidt betonen, dass der Hochwasserschutz an den kleineren Flusssystemen auch weiterhin Ländersache bleibt. „Der Bundesanteil für das nationale Hochwasserschutzprogramm kommt obendrauf. Wir erwarten, dass die Länder das ebenso halten“, betonten beide Minister.