Trainer Hansi Flick wechselt Leroy Sané bei Bayer Leverkusen erst ein und dann wieder aus. Der Offensivmann des FC Bayern gibt sich reumütig – und bekommt eine klare Ansage von Clubchef Karl-Heinz Rummenigge.

Sport: Marco Seliger (sem)

Leverkusen/Stuttgart - Die Höchststrafe nach der Höchststrafe gab es auf dem Pressepodium in der Leverkusener Bay-Arena. Hansi Flick gab keine Fernsehinterviews, es gab ausnahmsweise nur die Pressekonferenz nach dem 2:1-Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel bei Bayer Leverkusen – nach dem es die Bayern eilig hatten, der Bus stand bereit zur Abfahrt zum Flughafen. Nichts wie weg in die kurzen Weihnachtsferien, das war das Motto am Samstagabend nach dem letzten Spiel des Jahres 2020 – doch vorher, da hinterließ der Trainer des FC Bayern München noch eine Botschaft.

 

Flick hatte Leroy Sané in der 32. Minute für den verletzten Außenstürmer Kingsley Coman eingewechselt und in der 68. Minute wieder vom Feld genommen – unverletzt. So etwas firmiert im Fußball offiziell als Höchststrafe für einen Profi. Und wenn dieser Profi Sané heißt, zu den populärsten deutschen Kickern gehört, Nationalspieler ist und im Sommer für 49 Millionen Euro als sogenannter Königstransfer zum FC Bayern kam, dann liegt diese Höchststrafe wohl noch etwas höher als sonst.

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Die wohl höchste Höchststrafe aber gab es dann hinterher, als Flick auf dem Podium dies sagte: „Ich wollte Jamal Musiala bringen. Dann gibt es nur wenige Spieler, die ich auswechseln kann: Thomas Müller, Serge Gnabry und Leroy Sané. Thomas ist für uns unverzichtbar, Serge hat sich in der zweiten Halbzeit gesteigert. Von daher gab es nur die Option Leroy. Es geht darum, dass die Mannschaft Erfolg hat. Da muss der Einzelne zurückstecken. Leroy wird es verkraften.“

Flick hätte es auch einfach so sagen können: Den Müller und den Gnabry brauche ich, wenn es darauf ankommt. Den Sané nicht. Und: Mir doch egal, wenn ich den vorher schon eingewechselt habe. Dann muss er halt wieder runter.

Rüge von Rummenigge

Flick, das sollte wohl durchklingen in seinem Subtext, wollte Sané eigentlich in Schutz nehmen, indem er auf die Unverzichtbarkeit der unumstrittenen Müller und Gnabry verwies. Er bewirkte aber mit seinen Aussagen bei genauem Hinhören das Gegenteil. Denn nun weiß jeder, wie wichtig (oder unwichtig) Sané im Gebilde des FC Bayern für seinen Trainer aktuell ist. Und dass es ihm dann auch komplett wurscht ist, wenn er ihn erst einwechselt und dann wieder vom Feld nimmt – und ihm so die sehr öffentlichkeitswirksame Höchststrafe aufbrummt.

Klarer und ohne jede Verklausulierung zur Causa Sané äußerte sich dann am Sonntag der Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Man werde ihm, „wenn nötig, in den Hintern treten“, sagte Rummenigge und ergänzte: „Die Talente, die Leroy hat, sind überragend. Ich glaube, dass er eine gute Zukunft haben kann. Wir sind bereit, jeden Spieler zu fördern, aber wir fordern auch. Er muss jetzt den nächsten Schritt machen und seinen Charakter an den FC Bayern anpassen.“ Dieser Charakter sei laut Rummenigge so: „Du verzeihst alles, aber du musst den Eindruck machen, dass du alles in die Waagschale wirfst, um als Sieger vom Platz zu gehen. Das wird Leroy lernen müssen.“

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Sané machte sich ja mit seiner jüngsten Leistung vom Samstag in Leverkusen tatsächlich angreifbar, so wie auch bei so manchem Auftritt zuvor. Er ging recht lässig in den einen oder anderen Defensivzweikampf und blieb vorne unauffällig.

Nach der Auswechslung in Leverkusen saß Sané dann frustriert in Badelatschen auf der Tribüne, und nach dem Schlusspfiff, da schlurfte er in diesen Latschen über den Platz. Spötter, die es nicht gut meinten mit Sané, erkannten da gewisse Parallelen zu seinem Auftritt vorher, als er noch die Fußballschuhe anhatte.

Sané erklärt sich

Irgendwann war es dann am wohl auch in solchen Phasen unverzichtbaren Thomas Müller, dieses Abschlussbild auf dem Platz aufzuhübschen. Im Stile eines Familienoberhaupts nahm Müller Sané beim Gang in die Kabine tröstend in den Arm – und sagte hinterher dies dazu: „Ich habe Leroy gesagt, dass er daraus nicht Frustration mitnehmen soll, sondern Motivation. Es ist eine harte Nummer. Aber er arbeitet hart daran, dass der Knoten platzt.“

Müllers väterliche Geste verfehlte ihre Wirkung offenbar nicht. Denn schnell war hinterher etwas von Sané selbst zu hören. Über die „Bild“-Zeitung gab er sich kämpferisch – und hochmotiviert. Die Auswechslung nach seiner Einwechslung sei „im ersten Moment überraschend für mich“ gewesen, sagte Sané, denn: „Das kannte ich so nicht.“ Doch: „Ich bin selbst mein größter Kritiker und weiß einzuordnen, dass ich zuletzt mein Leistungsvermögen nicht abrufen konnte.“ Aber das, versprach Sané, „wird sich ändern“.

Dass er besagtes Leistungsvermögen in seinem ersten Halbjahr beim FC Bayern noch nicht ausschöpfte, erklärte Sané mit seiner Verletzungshistorie und dem Corona-Spielplan. Dieser habe es ihm sehr schwer gemacht, „wieder den Rhythmus zu finden“. Nach seinem Kreuzbandriss und der Kapselverletzung von Ende September braucht der Neuzugang von Manchester City offenbar noch immer Zeit, um wieder zu alter Form zu finden.