Zum Abschluss der Gipfels von Madrid kontert der Kanzler Russlands Vorwürfe und kündigt zusätzliches Engagement der Bundeswehr an.

Der Nato-Gipfel in der spanischen Hauptstadt ist am Donnerstag mit harten Worten in Richtung Moskau zu Ende gegangen. „Durch seine aggressive Politik stellt Russland wieder eine Bedrohung für Europa, für die Allianz dar“, sagte Scholz einen Tag nach der Verabschiedung der neuen Militärdoktrin, in der das Land nicht mehr als potenzieller Partner, sondern wie im Kalten Krieg als Hauptgegner des westlichen Verteidigungsbündnisses definiert wird. Den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des eingeleiteten Nato-Beitritts Finnlands und Schwedens erhobenen Imperialismus-Vorwurf wies der Kanzler als „ziemlich lächerlich“ zurück. Dieser treffe vielmehr Putin selbst, der durch seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine selbst auf Geländegewinne aus sei. „Lass’ es bleiben“, sagte Scholz an Putin gewandt.

 

Bataillone zu Brigaden

In Deutschland soll der Ratifizierungsprozess für den Beitritt der beiden skandinavischen Länder Scholz zufolge noch in dieser Woche beginnen. Beide Länder waren über Jahrzehnte neutral gewesen und haben erst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Mitgliedsanträge gestellt. Scholz erneuerte auch die Sicherheitsgarantie der Bundesrepublik in dieser „brenzligen Lage“, da die Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens zwar angekündigt, aber noch nicht vollzogen ist und die Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages offiziell noch nicht gilt. Obwohl Kremlchef Putin die Nato davor warnte, dort neue militärische Infrastruktur aufzubauen, ist Scholz der Meinung, dass sich Moskau mit dem Beitritt der beiden Staaten „abgefunden“ hat.

Über die strategische Neuausrichtung hinaus reagierte das Bündnis auf die russische Aggression gegen die Ukraine mit einer massiven Erhöhung seiner militärischen Präsenz im Ostteil des Nato-Territoriums und entsprechende Sorgen osteuropäischer Nachbarn Russlands. In den einzelnen Staaten werden die Nato-Bataillone zu Brigaden aufgestockt. Möglicherweise werden schon im nächsten Jahr mehr als 300 000 Soldatinnen und Soldaten in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt. Der entsprechende Beschluss vom Mittwoch stellt etwa eine Versiebenfachung der bisherigen Personalstärke dar.

Über den bereits bekannten deutschen Zusatzbeitrag einer gepanzerten Division mit 15 000 Mann, 60 Flugzeugen und 20 Marineeinheiten, den Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bereits zum Auftakt des Gipfels genannt hatte, kündigte Scholz am Donnerstag einen weiteren an, der gerade für die künftigen Mitgliedstaaten aus dem hohen Norden von besonderer Bedeutung ist. So soll in Rostock ein regionales Marinekommando für die Ostsee aufgebaut werden. Auf die schon im Vorfeld des Treffens ausgeweiteten beziehungsweise neuen Bundeswehr-Engagements in Litauen und der Slowakei verwies Scholz ebenfalls. Er meint, dass einem Großteil der deutschen Bevölkerung „die Logik einleuchtet“, dass diese Maßnahmen vor dem Hintergrund der russischen Handlungen notwendig sind.

Kein Freischein für Ankara

Wie auch US-Präsident Joe Biden, der der Ukraine militärische Unterstützung zusicherte, „solange es notwendig ist“, erklärte sich auch der Bundeskanzler zu weiteren Waffenlieferungen bereit. Er verwies auf die Abgabe weiterer Panzerhaubitzen 2000, die Deutschland zusammen mit den Niederlanden am Rande des Nato-Treffens angekündigt hatte. Eine Einschätzung der aktuellen militärischen Lage im russisch-ukrainischen Krieg wollte der Kanzler auf eine Frage unserer Zeitung hin jedoch nicht abgeben. Genauso wenig ließe sich prognostizieren, bis zu welchem Zeitpunkt in welchem Umfang weiteres schweres Gerät geliefert werden müsse: „Wie lange das sein wird, kann man seriöserweise nicht sagen.“

Die Zugeständnisse Finnlands und Schwedens an die Türkei, die anschließend den Weg für deren Beitritt freimachte, sind vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „Sieg“ gefeiert worden. Die Regierungen in Helsinki und Stockholm hatten unter anderem zugesagt, ihre Waffenexportrichtlinien diesbezüglich zu lockern. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte nach der Einigung zudem gesagt, dass es unter Mitgliedern der Allianz generell keine Lieferbeschränkungen geben sollte. US-Präsident Biden kündigte aus diesem Grund am Donnerstag an, die Modernisierung der türkische F-16-Kampfjet-Flotte nicht länger blockieren zu wollen. Kanzler Scholz betonte in diesem Zusammenhang jedoch, dass es weder ein generelles Embargo noch einen Blankoscheck für Ankara geben werden und Rüstungsexporte aus Deutschland stets „Einzelfallentscheidungen“ bleiben.