In Deutschland muss die Asche von Verstorbenen auf einem Friedhof bestattet werden. In Spanien ist es erlaubt, sie in den Wind oder auf das Meer zu streuen. Ein kleiner Unternehmer in Valencia kümmert sich um Deutsche, die sich eine solche Zeremonie wünschen.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Valencia/Spanien - José Izquierdo hatte einen Lieblingsort: eine Anhöhe in der Nähe des Leuchtturms von Cullera an der spanischen Mittelmeerküste, von wo der Blick weit über die küstennahen Reisfelder bis nach Valencia im Norden und bis zur Costa Blanca im Süden geht. Ein einzelner Baum auf dieser Anhöhe hatte es dem Apotheker besonders angetan. Noch als alter Mann spazierte er den Hügel hinauf zu seiner Pinie. Unter diesem Baum, bat er, solle einmal seine Asche verstreut werden. Vor zwei Jahren, mit 91, starb José Izquierdo. Die Familie erfüllte ihm seinen letzten Wunsch.

 

Solche Szenen kennen Deutsche nur aus dem Kino: Angehörige und Freunde eines Verstorbenen versammeln sich an einem Ort in freier Natur, um dort die Asche des geliebten Menschen dem Wind zu übergeben. In Deutschland ist das verboten, da herrscht Friedhofspflicht. In Spanien nicht. Die Asche eines Verstorbenen darf ausdrücklich „im Freien verstreut werden, außer auf öffentlichen Wegen“.

Die feierliche Bestattung seines Vaters gilt als Vorbild

Daniel Izquierdo hat die Trauerfeier für seinen Vater auf der Anhöhe beim Leuchtturm von Cullera in lebendiger Erinnerung. „Die ganze Familie kam zusammen, etwa 30 Leute. In einer Kapelle in der Nähe haben wir die Messe gefeiert, dann sind wir gemeinsam den Hügel hochgelaufen, bis zur Pinie meines Vaters. Dort gab es noch eine Lesung, und schließlich haben wir die Asche verstreut. Also das hat wirklich. . . verdammt gut getan“, erzählt der 47-jährige Valencianer. Und fügt mit einem kleinen Lachen hinzu: „Danach sind wir Paella essen gegangen, alle zusammen.“

Die Aschezeremonie für seinen Vater brachte Daniel Izquierdo auf eine Idee. Der Unternehmensberater wuchs in Basel auf – seine Mutter ist Schweizerin –, und er wusste, dass das Verstreuen der Asche in der Schweiz erlaubt ist, in Deutschland aber nicht. Also könnte man doch den Deutschen, die ein Bedürfnis nach solcher Zeremonie hätten, anbieten, die Asche ihrer Angehörigen in Spanien zu verstreuen. Dieses Jahr setzte er seine Idee in die Tat um: Er gründete seine Firma „Ad mediterraneum – Naturbestattungen in Spanien“.

Die Urne kommt per Post aus Deutschland

Der Gedanke ist gewöhnungsbedürftig: dass uns unsere letzte Reise noch einmal ins Ausland, nach Spanien, führen sollte. „Das Angebot ist entweder für Leute, die eine besondere Beziehung zu Spanien haben“, sagt Daniel Izquierdo, „oder für solche, die etwas anderes wollen: zum Beispiel da bestattet sein, wo 300 Tage im Jahr die Sonne scheint.“

Die Idee muss sich noch herumsprechen. Ad mediterraneum hat bisher vier Kunden gehabt – wobei es die Angehörigen in allen Fällen vorzogen, in Deutschland zu bleiben und den Vollzug der Zeremonie Izquierdo zu überlassen. Er bekommt die Asche in ihrer Urne per Post vom deutschen Bestattungsinstitut zugeschickt. Mit der Urne machen sich Izquierdo und ein Mitarbeiter in die Orangenhaine bei Valencia oder in die Sierra de Calderona auf, um dort zu einem Aussichtspunkt mit Blick aufs Mittelmeer hinaufzusteigen, El Garbí. „Das ist ein Moment, wo du durchatmest, in die Weite guckst und sagst: So! Für ewig!“, beschreibt Izquierdo den Augenblick, in dem er die Asche dem Wind übergibt. „Und ich denke natürlich an meinen eigenen Vater. Wenn du da rausgehst in die Natur und den Blick genießt, dann kommt dir unsere Vergänglichkeit in den Sinn – und wie unwichtig viele Dinge im Alltag sind.“

Die Angehörigen müssen Daniel Izquierdo vertrauen

Die Asche fremder Menschen fern der Heimat ihrer letzten Bestimmung zu übergeben, „das ist ein Vertrauensgeschäft“, sagt Izquierdo. „Das basiert nur auf meinem Wort.“ Für alle Fälle wird der Moment auf einem Foto festgehalten, und die Angehörigen erhalten ein Schreiben, in denen ihnen der Tag und die Uhrzeit der Zeremonie bestätigt werden.

Die größte Hürde auf dem Weg der Asche nach Spanien sind die deutschen Friedhofsverwaltungen. „Da gibt’s offenbar Unterschiede“, hat Izquierdo festgestellt. „Die einen nehmen es lockerer und die anderen nicht.“ Ob sie die Genehmigung für den Urnenexport erteilen oder nicht, hängt davon ab, wie sie die Friedhofspflicht interpretieren. „Man sieht, es gibt da etwas Spielraum“, sagt Izquierdo. Er ist davon überzeugt, dass in Deutschland gerade ein Umdenken stattfindet: „Immerhin ist es heute möglich, dass man eine Alternative zum Friedhof seriös erwägen kann.“