Seine Schützlinge kennt in Stuttgart wirklich jedes Kind. Lars Krogmann ist der neue Chef des Rosenstein-Museums und des Museums am Löwentor. Wale, Mammuts und Dinos schätzt er auch, aber seine wahre Liebe gehört ganz kleinen Tieren.

Es ist wie bei Diego Maradona. Der wusste schon als Knirps, dass er Fußballer werden will und kickte wie besessen. Das Nordlicht Lars Krogmann ist so was wie der Maradona der Insektenforscher. Schon als Kind verbrachte er die Familienurlaube damit, mit dem Netz durch Wiesen zu streifen, Schmetterlinge zu fangen und sie zu bestimmen. „Ich habe die Schmetterlinge auf einem kleinen Tischchen im Vorzelt präpariert“, erzählt der 46 Jahre alte Krogmann.

 

Aus dem kleinen Zelt sind zwei Häuser geworden, die er leitet. Krogmann ist als Nachfolger von Johanna Eder der Chef des Löwentor-Museum und des Rosenstein-Museums und Herr über „zwölf Millionen Objekte“ – Fossilien, Tiere und Pflanzen aller Art.

Die Doppelrolle

Anderthalb Jahre lang musste Krogmann warten, bis er sich endlich offizieller Leiter des Stuttgarter Naturkundemuseums nennen darf. Vorläufig war er es die ganze Zeit seit Eders Abschied. Doch die Bürokratie bewegt sich mitunter langsamer als ein Insekt bei Kälte. Erschwerend kam hinzu, dass Krogmann in doppelter Rolle berufen werden musste: Als neuer Chef und als Professor an der Uni Hohenheim. Dafür hatte seine Vorgängerin schon gekämpft, dass man die Museen als Forschungseinrichtung und Kultureinrichtung gleichermaßen betreibe, sowohl für Wissenschaftler wie auch für Besucher.

Was lehren uns die Museen?

Denn es „gilt einen Schatz zu heben“, wie Krogmann sagt. Zwölf Millionen Objekte, das sind millionenfache Möglichkeiten zu forschen. „Wir können nicht alle nach Madagaskar fahren“, sagt Krogmann, aber neue Erkenntnisse gewinnt auch, wer in Stuttgart Flechten untersucht. Gerade weil es in ganz vielen Dingen einen Bezug zum Naturkundemuseum gebe, die viel diskutierten Krisen unserer Zeit „Corona, das Aussterben der Arten, Biodiversität, der Klimawandel“. Hin und wieder nimmt die Gesellschaft Anteil, wenn etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann bemerkt, dass er auf der Windschutzscheibe seines Autos weniger Insekten findet; wenn die Nosferatu-Spinne in den Winkeln sitzt; wenn die Hyalomma-Zecke als Schreckgespenst durch die heimische Flur und die Medien krabbelt; wenn die Tigermücke durch die Lüfte schwirrt.

Was sind Erzwespen?

Vielleicht kein Wunder, bei einem Mann, dem man in Stuttgart das Etikett Insektenpapst angepappt hat, der seit 2008 am Naturkundemuseum arbeitet, seit 2018 die entomologische Forschungsabteilung leitet. Und der voller Inbrunst über seine Arbeit redet. Er hat sich vor allem mit Erzwespen beschäftigt, die so heißen, weil sie einen metallischen Glanz haben. Die meisten sind nur ein bis zwei Millimeter groß. „Diese kleine Wespen sind das Plankton der Luft. Meistens werden sie als Gewitterfliegen wahrgenommen. Nur von dieser Gruppe gibt es in Deutschland 2000 Arten.“

Wofür braucht die Welt Insekten?

Er ist froh, um jede Art von Neugier. Und sei sie noch so vorhersehbar, wie die alljährliche Routinefrage im August, was sich denn gegen die Wespe auf dem Grillgut unternehmen lasse. „Die meisten der über 30 000 Insektenarten sind extrem wichtig. Ohne die Insekten im Boden gäbe es keine Landwirtschaft. Die Gegenspieler halten Schädlinge im Zaum. Und die Bestäuber ernähren uns durch ihre Arbeit.“ Als Wissenschaftler frage man sich: „Was können wir machen, um auf das Insektensterben und die Zusammenhänge hinzuweisen?“

Der T-Rex zum Anbeißen

Die Wissenschaftsblase anzupieksen, das Haus zu öffnen, das hat er sich vorgenommen. Durch Forschen mit Studenten, durch Führen von Besuchern durch die Gänge, die Sammlung, aber auch das digitale Erfassen und Zeigen der Objekte. Und dann sind da die zwei Museen. 2019 im letzten Jahr vor Corona geredet hat, kamen knapp 250 000 Menschen ins Rosenstein-Museum und ins Museum am Löwentor. Die Dinos natürlich, die gehen immer. Der T-Rex, der durch die Wand bricht, der hat schon viele Stuttgarter erschreckt, und Elefant und Wal im Rosenstein-Museum sind Wahrzeichen der Stadt.

Wohin mit dem Wal

Nun wird umgeräumt, es wird einen Meeressaal und einen Evolutionssaal geben. Am 17. Februar soll eröffnet werden. Ein Anfang, dann wird weiter umgebaut. Die Anforderungen an das Vermitteln von Wissen sind andere. „Ein Experte, der die Welt erklärt? So funktioniert das nicht mehr!“ sagt Krogmann. Neue Medien nutzen, selbst entdecken, selbst forschen, Verknüpfungen finden, dazu will man einladen. Wal und Elefant sind weiter zu sehen. Auch wenn Krogmanns Herz vor allem den Winzlingen gehört. Etwa einer Wespe, die 130 Millionen Jahre alt ist. Die älteste bekannte Erzwespe, in Bernstein konserviert. Museumsreif.