Im sanierten Westflügel des Naturkundemuseums Karlsruhe entsteht Deutschlands größtes Riff mit lebenden Korallen. Ein weiteres Highlight in dem Riesenaquarium ist der Hai Kalli.

Karlsruhe - Derzeit ist Kalli noch der Star im Becken. Man könnte das Bauwerk mit 80 Quadratmeter Grundfläche mitten im Museum seinetwegen getrost Haifischbecken nennen. Doch nun wird dem ein Meter langen Schwarzspitzenriffhai der Rang streitig gemacht: Im Karlsruher Naturkundemuseum, genauer im neu gestalteten Westflügel, entsteht derzeit Deutschlands größtes Aquarium für Lebendkorallen. 20 Quadratmeter Riff sollen die Korallen am Ende bedecken und einen Hauch von Südsee vermitteln – und zwar als Teil der neuen Dauerausstellung „Form und Funktion. Vorbild Natur“.

 

Im Becken schwimmen auch 400 Südseefische

Nachdem das Becken mit 240 000 Liter Fassungsvermögen Ende Juli in Betrieb gegangen war, bekam Kalli zahlreiche Mitbewohner. 400 Südseefische – vom Gelben Seebader bis hin zum Blauring-Doktorfisch. Aber vor allem Korallen. Stein- und Hornkorallen, Weich- und Röhrenkorallen sind die wichtigsten Arten, die auf der Rifflandschaft angesiedelt sind. Für den Leiter des Vivariums, den Biologen Johann Kirchhauser, ist es „die Erfüllung eines Traums“. Für ihn war es nie eine Option, „Korallen einfliegen zu lassen“. Stattdessen werden in dem Museum am Friedrichsplatz schon seit 1990 Korallen gezüchtet. Was jetzt im neuen Großaquarium gedeiht, sind somit überwiegend Eigengewächse. Damit leistet man in Karlsruhe auch Artenschutz. Denn Korallen gelten vielerorts als bedroht.

An diesem Nachmittag bekommt Kalli einen Schrecken: Vivariumsleiter Kirchhauser taucht im Neoprenanzug ins Becken. Er setzt zwei Steinkorallen, eine Geweihkoralle und eine Hirnkoralle an die Rifflandschaft. Mit einem Zweikomponentenkleber, mit dem die Korallenstücke – auch im Salzwasser – dauerhaft angeklebt werden und später anwachsen sollen. Als der Hai den Taucher entdeckt, macht er kehrt und traut sich während des Aufenthalts des Biologen im Becken nicht mehr zu dem großen Bullauge, durch das die Korallen auch von außen sichtbar sind.

Korallen sind keine Pflanzen, sondern Tiere

„Unsere Rifflandschaft wächst von Woche zu Woche“, erzählt Kirchhauser. Den Rang als derzeit „größtes Meereswasseraquarium mit Lebendkorallen“ in Deutschland übernahmen die Karlsruher vom Zoo Hellabrunn in München: Dort war 2012 ein Becken mit 130 000 Liter Fassungsvermögen gestartet. Die großen Becken in den Sealife-Centern sind für Kirchhauser dabei keine Konkurrenz: Die zeigten hauptsächlich künstliche Korallen.

Die eingesetzten Korallen nennt er „Tierkolonien“. Denn Korallen, von denen es etwa 6000 Arten gibt, sind keine Meerespflanzen. Genau genommen handelt es sich dabei um Tiere. Mit polypenartiger Gestalt, von Tentakeln gesäumt, gehören sie zur Gruppe der Nesseltiere. Der Biologe Kirchhauser hat Erfahrung: Wenn sich Korallen-Gewächse zu nahe kommen, fangen sie an, sich zu bekämpfen. Eine Feuerkoralle etwa könne wie eine Brennnessel in der Nachbarschaft angesiedelten Korallen Verbrennungen zufügen. Und es ist wie so oft in der Natur: Der Stärkere überlebt.

Das Riffgestein kommt von den Fidschis

Immer wieder müssen die Korallen daher weggeschnitten werden, meist mit einer einfachen Heckenschere. Sie sind dann die Basis für den Tauschhandel auf dem Korallenmarkt. „In den 26 Jahren meiner Tätigkeit in Karlsruhe habe ich sicher nicht mehr als 30 einzelne Korallen zugekauft“, so Kirchhauser. Eingeflogen wurde dagegen Riffgestein: und zwar 20 Tonnen, „eigens von den Fidschi-Inseln“, erzählt Kirchhauser. In erster Linie brauchen Korallen aber eine gute, stets salzhaltige Wasserqualität und eine nachgeahmte Meeresströmung. Wichtig ist auch intensive Lichtbestrahlung. Über dem Meerwasserbecken, in dem jede Woche etwa 10 000 der 240 000 Liter Salzwasser gewechselt werden, hängen zehn Lampen mit jeweils 600 Watt Lichtleistung. „Die Leuchtintensität ähnelt der in einem Fußballstadion“, sagt Kirchhauser und lacht.

Ob Hai Kalli von den Korallen tatsächlich der Rang abgelaufen wird, wird sich zeigen. Für Kirchhauser ist aber schon jetzt klar: „Hier kann nun jeder ein Südseeriff bestaunen“ – so wie sonst nur die Taucher in pazifischen Gewässern.