Im preisgekrönten Steingarten von Christine und Friedrich Knittel finden Insekten fast das ganze Jahr Futter. Er ist das Kontrastprogramm zu den Schottergärten, denen die Stadt Waiblingen einen Riegel vorschieben will.

Waiblingen - Eine gewaltige Menge dicker Felsbrocken haben Christine und Friedrich Knittel in den vergangenen Jahren in ihren Vorgarten geschafft. Rund fünf Tonnen Kalksandstein aus Weinbergumlegungen im Remstal müssten es schon sein, schätzt Friedrich Knittel. Hinzu kommen noch ungefähr drei Tonnen in Form von granitähnlichen, gut fünf Zentimeter dicken Steinplatten. Die hat das Waiblinger Ehepaar in manchen Bereichen des Gartens senkrecht stehend etwa 30 Zentimeter tief und parallel nebeneinander im Boden verbuddelt. So sind künstliche Felsspalten entstanden.

 

„Die Pflanzen müssen hier tief wurzeln, so werden sie resistenter“, erklärt Christine Knittel. Denn im Garten in der Ulrichstraße spielen Steine zwar eine wichtige Rolle, die Stars aber sind Pflanzen der Gebirgsflora. Das unterscheidet den Steingarten des Waiblinger Ehepaars von den in die Kritik geratenen Stein- und Schottergärten, die in den vergangenen Jahren zum Leidwesen von Naturschützern sehr in Mode gekommen sind.

Lebendiger Vorgarten statt tote Kiesflächen

Die Stadt Waiblingen will verhindern, dass künftig noch mehr dieser Kiesflächen, die keinen Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten, angelegt werden – und propagiert stattdessen „lebendige Vorgärten“. Erstmals hatte die Verwaltung in diesem Herbst einen Wettbewerb ausgelobt, bei dem der Garten der Knittels – aller Steine zum Trotz – einen ersten Preis eingeheimst hat. Völlig zu Recht, tummelt sich hier doch so einiges. „Wir haben Eidechsen und Schleichen und sehr viele Insekten“, berichtet Christine Knittel. Kein Wunder, blüht es doch im Alpengarten von Februar bis in den November hinein, Insekten finden also nahezu das ganze Jahr über Nahrung.

Rund 300 verschiedene Pflanzen gedeihen im Vorgarten des Paares, das ein Faible für alpine Pflanzen hat. „Sie sind meist gedrungen und klein, aber ihre Blüten haben ganz besonders intensiv leuchtende Farben“, schwärmt Friedrich Knittel und betont: „Wir haben keine einzige Pflanze in der Natur ausgegraben, alle stammen von speziellen Gärtnereien.“

Im Februar zeigen sich die ersten Blüten

Die ersten Blüten wagen sich im Februar aus der Deckung: kleine blaue Leberblümchen, violetter Steinbrech, Krokusse und Minitulpen in allen Schattierungen. „Es ist ein Farbenrausch“, erzählt Christine Knittel, die mit ihrem Mann noch heute viel in den Bergen unterwegs ist. Edelweiß und Enzian dürfen im Gebirgsgarten nicht fehlen, außerdem blühen Küchenschellen in Lila, Rot und Weiß, Sonnenhut und Dolomitenfingerkraut, Grasnelken und Akelei im Miniaturformat, Schafgarbe, Wolfsmilch, Mittagsblume, Polsterastern und Raritäten wie das rosafarbene Gletscher-Mannsschild, das auf Felsschutt und Geröll gedeiht.

Gebirgspflanzen brauchten einen nährstoffarmen Boden, sagt Friedrich Knittel: „Wenn er zu fett ist, dann blüht nichts mehr.“ Daher hat er den heimischen Lehmboden teilweise abgetragen und Split und ungewaschenen Sand eingebracht. Ohne eine gute Drainage geht im Alpengarten nichts, weiß der passionierte Gärtner: „Alle alpinen Stauden scheuen Feuchtigkeit. Weil sie im Winter oft unter einer Schneedecke stecken, ist Kälte hingegen kein Problem für sie.“ Das haben sie mit Kakteen gemeinsam, und von denen gedeihen tatsächlich auch einige im Knittelschen Garten.

Alpen, Schwäbische Alb, Südafrika

Dort wachsen also Pflanzen aus den Alpen, der Schwäbischen Alb und Südafrika einträchtig nebeneinander. „Sie vertragen sich alle gut“, sagt Friedrich Knittel und lacht. Demnächst im Dezember wird er, so wie alle Jahre wieder, seinen Steingarten für einige Wochen unter einer großen Wellplatte aus Plastik verschwinden lassen. Das provisorische Dach, das Friedrich Knittel passenderweise mit Bergseilen verspannt und an im Boden verankerten Heringen befestigt, damit auch bei Wind nichts verrutscht, schützt die trockenheitsliebenden Pflanzen vor Nässe. Bereits Mitte Februar wird die schützende Abdeckung wieder rückgebaut, denn dann kommen Krokus und Co. hervor und die ersten Insekten rücken an, sehr zur Freude der Knittels, die finden: „Es ist etwas tief Beglückendes, wenn man die Natur so direkt erfährt.“

Artenvielfalt statt Versiegelung

Auszeichnung:
Die Stadt Waiblingen hat in diesem Jahr erstmals einen Wettbewerb ausgelobt, bei dem positive Beispiele naturnaher Privatgärten, die einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten, ausgezeichnet wurden. 16 Teilnehmer haben einen Preis erhalten. Mit dem ersten Preis und jeweils 100 Euro wurden die Gärten von Stilla Dunkel, Isolde Klein und Friedrich und Christine Knittel belohnt.

Schottergarten:
In Waiblingen gilt inzwischen laut Bebauungsplan die Vorschrift, dass Freiflächen, die nicht als Stellplatz, Zufahrt oder Wege genutzt werden, als Zier- und Nutzgarten anzulegen sind. Schottergärten sind an diesen Stellen nicht zulässig.

Biodiversitätsindex:
Er zeigt den sehr unterschiedlichen Wert verschiedener Baumarten für die Biodiversität an: Was bringt der Baum für Wildbienen, Käfer, Schmetterlinge, Vögel und Säuger? Die Stiel-Eiche bringt es auf den höchsten Wert von 5,0, der Ginkgobaum hingegen nur auf 1,2. Die Liste findet man hier