Was wäre aus den Fildern geworden, hätte sich vor 50 Jahren nicht die Schutzgemeinschaft um Steffen Siegel gegründet? Dies war eine der wichtigsten Fragen bei der Jubiläumsveranstaltung. Es gab aber auch noch andere.

Filder - Eine Hellebarde, sagte Eisenhart von Loeper vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, eigne sich wunderbar, um Gegner vom hohen Ross zu holen und unschädlich zu machen. Doch die Schutzgemeinschaft Filder hat das auch ohne Waffen und nur mit der Kraft der Argumente und vieler Menschen geschafft. „Sie haben viel erreicht in den vergangenen 50 Jahren“, lobte denn auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann in seiner Laudatio zum Jubiläum, das mit rund 350 Besuchern am Freitag in der Filderhalle in Leinfelden gefeiert wurde.

 

Der OB hatte sich nie gegen den Bau der Messe gestellt

Das Fest am Freitag wurde ausgerechnet von Roland Klenk als erstem Redner eingeleitet. Der sitzt seit dem Jahr 2001 – als erbittert um die Neue Messe gekämpft wurde – im Chefsessel des Leinfeldener Rathauses und hatte als CDU-Mann die OB-Wahl für sich entschieden, obwohl er sich nie gegen den Bau der Fildermesse gestellt hatte – und damit über Kreuz mit der Schutzgemeinschaft gelegen hatte. „Die Schutzgemeinschaft ist bei allen Fragen ein wichtiger Partner im Filderraum“, lobte Klenk. Er wolle sich lieber nicht vorstellen, wie es heute auf den Fildern aussehen würde, hätte es die Bürgerinitiative nicht gegeben.

Vielleicht würden die Filderbewohner in der Nachbarschaft eines Großflughafens mit drei Startbahnen leben. Das zumindest war der Plan der damaligen Landesregierung. Und der führte nach Worten des Schutzgemeinschaftsvorsitzenden Steffen Siegel dazu, dass im Oktober 1967 im Gasthaus Post in Plieningen die Bürgerinitiative gegründet wurde. Im Rückblick lieferte er weitere Stichpunkte aus dem immerwährenden Kampf der vergangenen Jahrzehnte um den Filderraum, in dem die Interessen von Stadt und Land aufeinanderprallen wie an kaum einem anderen Ort in Deutschland. Nachtflugverbot; langjähriger – und letztlich verlorener – Kampf gegen den Ausbau und die Verlängerung der Startbahn; Widerstand gegen die Messe „und Landraub“, wie Siegel das Messegesetz nannte. Dazu aktuell die Auseinandersetzung um das Bahnprojekt S 21, bei dem nach wie vor unklar ist, wie die Strecken auf den Fildern verlaufen werden. „Unser größter Erfolg war die Verhinderung der zweiten Startbahn“, sagte Siegel und bekam Applaus.

Die Stärke der Gemeinschaft ist, dass sie breit aufgestellt ist

Die Jubiläumsfeier zeigte jedoch auch etwas anderes. Die Schutzgemeinschaft genießt bis in die hohe Politik Anerkennung oder zumindest Respekt. „Ich bringe Ihnen die besten Glückwünsche eines Teils der Landesregierung mit“, sagte Hermann. Die Bürgerinitiative sei noch kein bisschen altersmilde, ihre Stärke sei immer gewesen, breit aufgestellt zu sein. „Vom Landwirt über den Professor bis hin zur jungen Studentin waren alle dabei“, so Hermann. Die Bürgerinitiative hätte damit zur Demokratisierung des Landes beigetragen. „Baden-Württemberg war damals CDU-Land, da wurde nicht viel diskutiert“, so der Minister über die Versuche, den Flughafen auszubauen und das mit steigenden Passagierzahlen zu begründen. „Häufig haben nicht die recht, die eine lineare Vorstellung von Zukunft haben“, sagte er und erinnerte an den Plan einer zweiten Piste in der irrigen Annahme, dass der Flughafen bis 2020 voll sei. „Sie haben den Flughafen vor einer grandiosen Fehlinvestition bewahrt“, so Hermann. In der Hochzeit des Widerstands gegen den geplanten Großflughafen hatten zwei Aktivisten der Schutzgemeinschaft Kraut vor den Eingang des Flughafens gekippt – „und wurden wegen illegaler Abfall-entsorgung angeklagt“, so Siegel. Bei der Jubiläumsfeier nahm nun der aktuelle Landesverkehrsminister – und damit auch Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens – einen Krautkopf als Geschenk mit nach Hause.

Es gibt immer weniger Platz fürs Filderkraut

Die Symbolpflanze der Filder gedeiht jedoch auf immer weniger Äckern. Und das nicht zuletzt, weil ihr Lebensraum schwindet. „Ackerboden wird Gold wert – auch der Filderboden“, prophezeite der Bodenökologe Jean Charles Munch in seinem Fachvortrag und betonte die Bedeutung und Lebensvielfalt der Böden. Er kritisierte, dass Ackerböden zu einem Spekulationsobjekt geworden seien und forderte gesetzliche Maßnahmen gegen das „Landgrabbing“. „Die Politik blockt, weil sie den Boden als verfügbares Gelände für andere Dinge haben will“, so Munch. Der Agrarbiologe und SPD-Regionalrat Willfried Nobel aus Harthausen kritisierte den ungebrochenen Flächenverbrauch. „Wir müssen Bodenschutzgebiete ausweisen und die besten Agrarböden dem ökonomischen Landbau vorbehalten“, so Nobel.

Doch das Ringen um Freiflächen wird, das zeigt die aktuelle Politik, weitergehen. Die Schutzgemeinschaft allerdings ist nun noch wehrhafter. Von Loeper ließ eine Hellebarde auf den Fildern als Geschenk zurück. Siegel und seine Unterstützer werden diese Waffe aber freilich nicht einsetzen im Kampf gegen die Obrigkeit. Sie vertrauen stattdessen auf ihre Argumente. Für Hermann eine „Daueraufgabe“. Wobei der Schauspieler und S21-Aktivist Walter Sittler als Gratulant sich allerdings etwas anderes wünschen würde: „Dass die Politik so vernünftig ist, dass man keine Bürgerinitiativen mehr braucht.“