Youtube, das größte Videoportal der Welt, geht schärfer gegen Hetze und Falschinformationen vor. Aber viele Propagandafilme der Nazis findet man dort immer noch.

Stuttgart - Gerade noch haben sie die Nasen ihrer Sturzkampfbomber steil nach unten gedrückt, Bomben auf britische Schiffe geworfen, einander zu ihren Treffern gratuliert. Nun steigen sie aus ihren Maschinen, reißen zackig den Arm zum Hitlergruß, machen schneidig Meldung und sind danach eine hoffnungsvolle, vom Sinn des Krieges überzeugte Schar pfundiger Typen: die Kämpen der Luftwaffe in Karl Ritters Spielfilm „Stukas“ aus dem Jahr 1941. Der gilt, wie weitere Filme von Ritter („Legion Condor“ zum  Beispiel und „Besatzung Dora“), wie Veit Harlans infamer „Jud Süß“, wie Erich Waschnecks „Die Rothschilds – Aktien auf Waterloo“ und Hans Steinhoffs „Ohm Krüger“ als Nazipropaganda.

 

Marktlücke für Youtube

In Deutschland dürfen diese sogenannten Vorbehaltsfilme bis heute nicht öffentlich aufgeführt werden, es sei denn, in moderierten Veranstaltungen, bei denen ein Referent etwa einer Landeszentrale für politische Bildung die Einordnung des Werks vornimmt. Diese Absicherung bot bislang eine prima Marktlücke für Youtube: Hier war alles mit ein paar Mausklicks ohne Zugangsbeschränkung und Einordnung zu finden. Im schlimmsten Fall war es sogar eingeordnet – mit Links zu rechtsradikalen Videos und aktuellen Naziverherrlichungen.

Seit einigen Wochen ist es schwerer, diese Filme zu finden. Viele hochgeladene Kopien sind gesperrt worden. Youtube hat sich nämlich unter großem öffentlichem Druck verpflichtet, schärfer gegen Hetze, Propaganda und Falschnachrichten vorzugehen. Doch das scheint ein Kampf gegen Windmühlen: „Hitlerjunge Quex“ ist momentan verschwunden, „Jud Süß“, „SA-Mann Brand“ und andere Propagandawerke des Dritten Reiches aber sind noch oder wieder zu haben.

Dilemma der Unterscheidung

Das Problem der Youtube-Verantwortlichen ist nachvollziehbar: Noch gibt es keine Algorithmen, die eine Dokumentation über die Gräueltaten der Waffen-SS zuverlässig von einem Weißwasch-Sermon aus der ultrarechten Ecke unterscheiden könnten. Durch menschlichen Augenschein aber lassen sich die unablässig hochgeladenen Materialmassen unmöglich mehr sichten. Will Youtube nicht die Meinungsfreiheit stark beschneiden, nicht Teile der Menschheitsgeschichte und viele aktuelle Debatten zu Tabuzonen erklären, werden Hetze und Propaganda weiter durchschlüpfen.

Nun könnte man auch Teilerfolge für wünschenswert halten. Youtubes breit angekündigte Lösch- und Sperraktion aber birgt eine Gefahr: dass alles, was verfügbar bleibt, den Nutzern als offiziell geprüft, mithin als erlaubt, gar als faktentreu erscheint. Filmen wie „Jud Süß“ und „Stukas“ müsste man ihre Wirkung also anders nehmen, durch offensive – und unterhaltsame – Auseinandersetzung. Die dann aber möglicherweise von einem Youtube-Algorithmus gelöscht würde.