Seit langem lassen sich Steuerberater bei einer „privaten Akademie“ schulen. Erst jetzt merkt das Land angeblich, dass dahinter Finanzbeamte stehen. Es geht gegen sie vor und moniert einen „Interessenkonflikt“.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Aus ihren Zielen macht die „Private Akademie für Steuerrecht in der Wirtschaft“ keinen Hehl. Die von ihr angebotenen Seminare und Arbeitsgemeinschaften, heißt es auf der Homepage, seien „voll und ganz auf die Bedürfnisse des praktischen Steuerberaters ausgerichtet“. Das komplexe Steuerrecht wolle man so aufbereiten, „dass der Nutzen für jeden Teilnehmer optimal ist“. Es folgt ein etwas holpriges Versprechen: „Die tägliche Diskrepanz zwischen ,geschriebenem‘ und ,praktischem‘ Steuerrecht spornt uns an, Ihnen den Spielraum und das notwendige fachliche Rüstzeug zu geben, Ihre Mandanten optimal zu beraten, um so Ihren Weg positiv zu gestalten.“

 

Privat ist an der früher in Stuttgart und seit einigen Jahren in Nürtingen ansässigen „Akademie“ die Organisationsform, als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dahinter aber stehen Staatsdiener, die eigentlich eher den Steuerbehörden als den Steuerberatern verpflichtet sein sollten: Beamte der Oberfinanzdirektion (OFD) in Karlsruhe und beamtete (Ex-)Professoren der Steuerfakultät an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Schon 1980 gegründet, ist die „PASW“ eine feste Größe im lukrativen Geschäft mit der Fortbildung von Steuerberatern. Für das Geschäftsjahr 2016 etwa weist sie laut dem Handelsregister (HRB 9223) einen Bilanzgewinn von stolzen 296 257 Euro und 58 Cent aus. Ähnlich viel warf das Geschäft in früheren Jahren ab.

Folgenreiche Anfrage der FDP-Fraktion

Jahrzehntelang agierte die „Private Akademie“ diskret abseits der breiten Öffentlichkeit. Nun aber gerät sie jäh ins Rampenlicht der Landespolitik. Nach einem Bericht unserer Zeitung über die „geldwerten Tipps der Professoren“ fasste die FDP-Fraktion parlamentarisch nach – und löste damit erhebliche Konsequenzen aus. In einer mit dem Finanzministerium abgestimmten Antwort zeigt sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) überrascht von der Rolle der Beamten bei der Fortbildungsfirma. Für ihre Gesellschafterstellung hätten diese keine Nebentätigkeit beantragt und daher auch nicht genehmigt bekommen. Warum ihr das erst jetzt auffällt, erklärt Bauer damit, dass die „Gesellschafterliste öffentlich nicht einsehbar“ sei. Man habe erst im Handelsregister nachforschen und auch frühere Gesellschafterlisten anschauen müssen. Aktuell nämlich steht dort nur eine Treuhänderin; den Grund dieses Konstrukts darf die GmbH-Geschäftsführerin wegen einer „Verschwiegenheitsverpflichtung“ nicht verraten. Man werde den Vorgängen weiter nachgehen, berichtete die Grüne Bauer, Oberfinanzdirektion und Hochschule hätten unverzüglich die „erforderlichen personalrechtlichen Schritte“ eingeleitet. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich dabei um Disziplinarverfahren.

Finanzministerin rügt Interessenkonflikt

Ärger bekommt die Akademie aber auch wegen der Versprechen auf ihrer Internetseite. Das Finanzministerium von Edith Sitzmann (Grüne) und die Steuerverwaltung sähen darin einen „Interessenkonflikt“ für die Steuerbeamten, heißt es in der Antwort. Deren Hauptjob sei es, das Recht anzuwenden. Schon 2017 habe die OFD darauf hingewiesen, „dass Werbung … zu unterlassen ist, die einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit herstellt oder das Vorhandensein von Spezialwissen hervorhebt“. Milder als ihre Kollegin Sitzmann beurteilt Bauer die Rolle der Professoren bei der PASW: Diese bewegten sich „im Spannungsfeld von Theorie und Praxis“, schreibt sie. „Dabei gilt es auch die Grenze zwischen noch zulässigem und unrechtmäßigen Verhalten der Steuerbürgerinnen und Steuerbürger herauszuarbeiten.“

Für den FDP-Abgeordneten Nico Weinmann offenbart Bauer damit „ein Maß von bewusster Blauäugigkeit“, das ihn fassungslos mache. „Erstaunt und entsetzt“ zeigt er sich, dass das Wissenschaftsministerium erst durch die Anfrage der Liberalen von den Akademie-Aktivitäten erfahren haben wolle. Die Erklärung, man habe dazu erst ins Handelsregister schauen müssen, sei „abenteuerlich und dreist“. Den Gesellschaftern der PASW attestiert Weinmann eine „besondere Kreativität“: Sie hätten „ein findiges Modell zur Umgehung der Nebentätigkeits-Vorgaben“ ersonnen. Dank diesem hätten sie weder die Zahl der Stunden noch die Höhe der Einnahmen angeben müssen. Die Geschäftsführerin der GmbH sieht das anders: Es könne keine Rede davon sein, dass diese zur Umgehung von Pflichten zwischengeschaltet worden sei; schließlich agiere die Akademie schon seit Jahrzehnten am Markt.

Nebenjob als Geschäftsführer genehmigt

Auch Theresia Bauer kann deren Wirken kaum verborgen geblieben sein. Als vor einigen Jahren einer der Gesellschafter erwog, nebenbei Geschäftsführer der GmbH zu werden, leitete die Beamtenhochschule das Gesuch des Professors ans Wissenschaftsministerium weiter; der damaligen Rektorin Claudia Stöckle war die Sache wohl zu heikel. Die Ministerialen sahen darin kein Problem. Von der Erlaubnis machte der Steuer-Professor dann aber doch keinen Gebrauch – warum auch immer.