Eine starke Minderheit von Kommunen sieht das Gebaren des Zweckverbands NEV kritisch. Bemängelt werden fehlende Transparenz und ein mangelhaftes Demokratieverständnis. Doch selbst kritische Mitglieder dürfen nicht einfach austreten.

Region Stuttgart - So langweilig können Sitzungsvorlagen klingen: „Neufassung der Verbandssatzung des Zweckverbands Neckar-Elektrizitätsverband“ lautet ein Tagesordnungspunkt, der zurzeit in fast allen Gemeinderäten in Nordwürttemberg behandelt wird. Das klingt nach einer Formalie. Tatsächlich steckt kommunalpolitische Hochspannung dahinter.

 

Denn es gibt einige Kommunen, die das Gebaren des Neckar-Elektrizitätsverbands (NEV, siehe Kasten) kritisch sehen. Die Gemeinde Kernen will die neue Satzung bei der Verbandssitzung im November ablehnen – auch aus Kritik an der bestehenden Satzung. Und die Grünen im Gemeinderat Ludwigsburg wollen die vermeintliche Formalie ebenso nicht einfach abnicken.

Viel Zwang, wenig Transparenz

Kern der Kritik sind zwei Punkte. Erstens: mangelnde Transparenz und Mitsprachemöglichkeiten. So weigert sich die Verbandsverwaltung, den Jahresbericht – und damit auch das stattliche Aktienvermögen – des NEV vor der Verbandssitzung zu veröffentlichen. Kritiker sagen, dass damit der erhebliche Wertverlust durch den Sinkflug der EnBW-Aktien kaschiert werden soll. Und zweitens: die Tatsache, dass der NEV formal ein Zweckverband ist, faktisch aber eine Art Zwangsverband – noch dazu mit fragwürdigem Zweck.

Kommunen, die ihre Stromnetze selbst betreiben und daher austreten wollen, brauchen dafür die Zustimmung der anderen Mitglieder. Zudem verlören sie damit ihr in den NEV eingebrachtes Kapital. Dabei ist strittig, wie das beachtliche Vermögen des Verbands – geschätzte 100 bis 150 Millionen Euro Anlagekapital – zustande gekommen ist. „Die Gemeinden haben nie etwas bezahlt“, beteuert der NEV-Geschäftsführer Rüdiger Braun. Damit widerspricht er nicht nur der Auffassung vieler Bürgermeister – sondern auch einem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Dort steht, dass das Vermögen seinen Ausgangspunkt in Einzahlungen der Mitgliedskommunen in den 70er Jahren genommen habe. Erst danach seien Beraterhonorare und Dividenden aus den Aktien dazu gekommen.

Der Verband als finanzieller Steinbruch?

Laut dem Ludwigsburger Landrat Rainer Haas, immerhin Vizevorsitzender des NEV-Verwaltungsrats, soll der strittige Passus verhindern, „dass der Zweckverband zu einem finanziellen Steinbruch wird“. Austritte mit Kapitalmitnahme brächten den NEV andernfalls an den Rande der Handlungsunfähigkeit.

Bemängelt wird neben mangelnder Transparenz auch das Demokratieverständnis des Zweckverbands. Fragwürdig erscheint dabei manchem, dass neue Ausschüsse, so genannte Regionalbeiräte, gegründet werden sollen, die laut Satzung grundsätzlich nicht öffentlich tagen. Angeblich schreibe dies die Gemeindeordnung bei Vorberatungen vor, beteuert Braun.

Manchmal fehlt das Mandat

Mit Spannung darf erwartet werden, ob der Ludwigsburger Gemeinderat einen Änderungsvorschlag der Satzung beschließt. Die Grünen fordern „ein Verfahren für den Ausstieg von Mitgliedern“ mit aufzunehmen. Mit dem Ziel, Kommunen eine „anteilige Mitnahme ihres Kapitals“ zu ermöglichen. Ebenso gespannt sind Beobachter darauf, wie viele Rathauschefs im November bei der Feststellung der Jahresbilanz 2012 gar nicht mit abstimmen. Denn viele von ihnen haben schlicht vergessen, sich dafür ein Mandat vom Gemeinderat zu holen.

Zusammenschluss mit wechselnden Aufgaben

Bedeutung
: Mitglied im Neckar-Elektrizitätsverband sind 167 Städte und Gemeinden und neun Landkreise. Der 1935 gegründete Verband hatte ursprünglich das Ziel, die Interessen seiner Mitglieder im Bereich der Stromversorgung zu vertreten. Daher besitzt er bis heute Aktien von Energieunternehmen, vor allem von EnBW und Süwag. Der NEV handelte für die Kommunen einheitliche Konzessionsverträge aus.

Wandel:
Nachdem 2002 ein großer Teil des Aktienvermögens aus steuerlichen Gründen an die Mitglieder ausgeschüttet wurde, hat sich das Selbstverständnis des NEV gewandelt. Neues Kernziel ist die Gründung von gemeinsamen Netzgesellschaften mit der EnBW (Neckar-Netze) und der Süwag (Kawag-Netze). Die Modelle erfreuen sich bislang nur moderater Beliebtheit. Lediglich 27 Kommunen betreiben „Neckar-Netze“, 15 entschieden sich bislang für das Kawag-Modell.

Kommentar: Tennisclub mir Fragezeichen

NEV - Das Gleichnis vom Tennisclub ist weit verbreitet. Egal, wo man fragt: sowohl der OB von Vaihingen/Enz, als auch der Ludwigsburger Landrat und der NEV-Geschäftsführer beantworten die Frage nach einer Kapital-Mitnahme von Kommunen, die aus dem Verband austreten, mit derselben Metapher: Das sei, wie wenn jemand aus einem Tennisclub austrete und ein Stück Tennisplatz mitnehmen wolle.

Doch auch wenn er von noch so namhaften Kommunalpolitikern noch so oft reproduziert wird – der Vergleich hinkt gewaltig. Denn Tennis wurde beim NEV nie gespielt. Stattdessen wurden im großen Stil Aktien gekauft – und zwar mittels einer anfänglichen Kapitalspritze der Mitgliedskommunen. Da scheint die Vorstellung, dass ein ausscheidendes Mitglied seinen Anteil ausgezahlt haben will, plausibel.

Seltsam mutet auch die Geheimhaltungspolitik des Verbandes bei seinen Bilanzen an. Der NEV hantiert durchweg mit öffentlichen Mitteln. Die Argumentation, dass seine Bilanz und die seiner Tochter-GmbH als geheim gelten, bis die Verbandsversammlung ihnen zugestimmt hat, unterliegt einem logischen Fehler. Denn: wie sollen Gemeinderäte und Kreistage ihren Vertretern in der NEV-Versammlung ein Mandat zur Feststellung des Jahresabschlusses erteilen, wenn sie deren Inhalt noch gar nicht kennen? Bedauerlich ist zudem, dass die – mittlerweile – Praxis der öffentlichen Vorberatung in Ausschüssen beim NEV noch nicht angekommen zu sein scheint.

Vorstöße wie jener der Gemeinde Kernen oder der Ludwigsburger Grünen sind offenbar nötig, um den NEV an seine Ziele zu erinnern. Er soll die Interessen aller Mitglieder vertreten – nicht nur der rund 40 kleinen, die sich für sein Netzmodell entschieden haben. Kommunen, die eigene Stadtwerke gründen wollen, fühlen sich dort nicht mehr aufgehoben. Sie bleiben aber, weil ihnen sonst Geld entgeht. Dass der NEV nicht durch Qualität überzeugen kann, ist ein schwaches Zeugnis.