Der Argentinier Juan Doval kreiert und braut sein eigenes Bier und experimentiert gerne beim Brauen. In einer Kleinstadt in Patagonien setzt der 34-Jährige damit eine alte Tradition fort.

Patagonien - Irgendetwas stimmt nicht. Juan Doval rümpft die Nase, geht zu einem Kessel, der so groß ist wie eine halbe Litfaßsäule, und schiebt den Deckel zur Seite. Dann hält er seinen Kopf hinein – und saugt den Geruch des grün-braunen Gemisches aus Gerstenmalz und Wasser in seine Nase. „Bueno“, sagt er schließlich und streicht über seinen schwarzen Vollbart. „Gut, ich dachte, ich hätte etwas Verbranntes gerochen. Aber alles ist gut.“ Juan Doval nimmt es ganz genau. Sein Bier soll genauso schmecken, wie er es sich ausmalt: „Sanft, subtil, mit einer sensationellen Hopfen-Note.“ Und deshalb geht er bei jedem Schritt des Brauens mit größter Sorgfalt vor. Nichts soll den Geschmack beeinträchtigen. „Ich möchte ein ganz besonderes Bier kreieren“, sagt Juan Doval. „Aber vor allem möchte ich beim Brauen experimentieren.“

 

Dafür hat sich der 34-Jährige in Argentinien genau den richtigen Ort ausgesucht: El Bolson. Die Kleinstadt mit 13 000 Einwohnern liegt im Süden des Landes, in Patagonien, nahe der Grenze zu Chile. Im Tal von El Bolson herrscht ein spezielles Mikroklima, weil die Berge es vor starkem Wind schützen. Darum wächst dort der Hopfen so prächtig, und darum wird in El Bolson schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts Bier gebraut. Die ersten waren, wie sollte es anders sein, deutsche Einwanderer. Mittlerweile hat sich in El Bolson eine besondere Brautradition entwickelt. Es wird viel experimentiert, mit Zutaten und mit Brauverfahren. Und die Gruppe der Brauer wächst rasant. Ganze 35 Kleinbrauereien gibt es – viele davon produzieren nur für einen Abnehmer. So wie Juan Doval. Sein Bier kann man lediglich im Hostel Casona de Odile trinken.

Hippies betreiben in El Bolson ökologische Landwirtschaft

„El Bolson ist ein spezieller Ort für mich“, sagt er. Wegen der traumhaft schönen Natur mit alten Wäldern, klaren Seen und schroffen Bergketten, aber auch wegen der besonderen Menschen, die es dorthin gezogen hat. Seit den siebziger Jahren haben Hippies El Bolson für sich entdeckt. Viele von ihnen betreiben ökologische Landwirtschaft und etablierten zudem einen Markt für hausgemachte Lebensmittel und Kunsthandwerk. All das bewog Doval, der auch in Patagonien aufgewachsen ist, dann aber lange in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires lebte, wieder in den Süden zu ziehen.

Seit 2012 arbeitet er als Koch des Hostels Casona de Odile, und seit dem vergangenen Jahr braut er Bier für die Gäste. Doval hat sich dafür im weitläufigen Garten des Hostels eine eigene Brauhütte aus Holz gebaut. „Mein Labor“, nennt er es. Es sieht darin wirklich ein bisschen wie im Laboratorium eines ständig tüftelnden Professors aus. Neben vier großen Kesseln stehen einige Fässer, auf denen Bücher und Werkzeug liegen. Es gibt eine lange Holzplatte mit zahlreichen Reagenzgläsern und einen Schreibtisch mit Laptop, in den er während des Brauens immer wieder die sich verändernden Temperaturen in den Kesseln einträgt.

In mindestens vier Jahren ist das Bier perfekt

Mindestens zwei Mal im Monat zieht sich Juan Doval in sein Labor zurück. „Hier bin ich in meiner Welt. Ich kann viel ausprobieren, außerdem bin ich gern allein“, sagt er. Vor allem begeistert ihn das Brauen aber, „weil sich dabei Wissenschaft mit Intuition und Kreativität verbindet“. Mit Wein und gutem Essen kannte sich Juan Doval schon immer gut aus, gemeinsam mit ein paar Freunden führte er ein Restaurant in Buenos Aires. Dann wollte er auch mehr über Bier und das Brauen lernen, suchte im Internet nach einem Rezept und wurde fündig: „Auf einmal hatte ich mein erstes eigenes Bier – all die Bläschen, das Prickeln beim Trinken, das war ein magischer Moment.“ Seit diesem ersten eigenen Bier vor acht Jahren ist Juan Doval „besessen von Bier“, sagt er selbst. Er zog aber nicht nur wegen des Gerstensafts von der hektischen Metropole Buenos Aires ins beschauliche El Bolson: „Ich brauche viel Zeit für mich. Zum Lesen, Musik hören, in der Natur sein. Wenn ich keine Zeit für mich habe, gehe ich zugrunde.“

500 Liter Bier hat Juan Doval pro Monat gebraut. Nun, am Ende der Saison, ist nichts mehr übrig. Den Hostelgästen hat sein Bier also geschmeckt. Doch vollkommen zufrieden ist er noch lange nicht: „Ich werde wohl noch mindestens vier Jahre brauchen, bis es perfekt ist.“

Kolumne
Johannes Nedo reist mit seiner Frau neun Monate durch Südamerika und Afrika. Er berichtet in unregelmäßigen Abständen von seinen Abenteuern und besonderen Begegnungen.