Die Alte Kass in Neidlingen lockt viele Gäste an. Café, Laden und Zimmer stehen für Regionalität und Nachhaltigkeit.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Neidlingen - Eigentlich bin ich ja Zimmermann und kein Zimmermädchen.“ Peter Hepperle lacht. Manchmal muss der 44-jährige Neidlinger aber doch kräftig mit anpacken, wenn es darum geht, seinen Lebenstraum durch den Alltag zu steuern. Alte Kass heißt dieser Traum. Vor zweieinhalb Jahren haben Peter Hepperle und seine Frau Simone das 1953 erbaute ehemalige Gebäude der Spar- und Darlehenskasse Neidlingen in der Gartenstraße 3 gekauft – daher der Name.

 

Die beiden haben fast im Alleingang aus einem ziemlich heruntergekommenen Gebäude ein Kleinod im Herzen des Biosphärengebiets geschaffen – mit einem wirklich urgemütlichen schwäbischen Caféhaus, einen Lädle, in dem ausschließlich regionale Produkte angeboten werden, einer Ferienwohnung mit Blick auf die Burgruine Reußenstein und mit vier Gästezimmern, von denen allerdings drei noch auf ihre Fertigstellung warten. Im Sommer sollen auch sie den Gästen zur Verfügung stehen.

Den Tagestouristen wird etwas geboten

Die Idee, dass man aus der landschaftlichen Schönheit Neidlingens Kapital schlagen könnte, hatte Peter Hepperle schon lange, bevor der Albtrauf zum Biosphärengebiet erklärt wurde: „Auch in der Vergangenheit sind schon viele Tagestouristen nach Neidlingen gekommen. Ich habe immer gedacht, dass man denen etwas bieten muss.“

Natürlich begrüßt Peter Hepperle das Biosphärengebiet. Auch hat er sich dem Verein Streuobstparadies angeschlossen und hat die Alte Kass am Wochenende auf der CMT in Stuttgart präsentiert (siehe untenstehender Bericht). „Die Region profitiert von solchen Schritten, und sei es nur dadurch, dass das Heimatgefühl gestärkt wird“, ist sich Peter Hepperle sicher. Man brauche nicht ins Allgäu oder dreimal im Jahr in die Türkei zu fahren, um sich zu erholen. Auch Neidlingen habe mit den Wasserfällen, dem Reußenstein und im Frühling mit der Kirschblüte viel für Gäste, auch für ganz junge, zu bieten.

„Ein Café hat in Neidlingen aber noch gefehlt“, sagt Hepperle. Wer das betritt, kommt in eine eigene Welt. Denn in der Alten Kass hat sich der Zimmermann, der für seine innovativen, dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichteten Ideen bekannt ist, verwirklicht. Aufsehen erregte Hepperle beispielsweise, als er vor knapp zehn Jahren sein Eigenheim aus Holz, Stroh und Lehm baute. Es war das erste seiner Art im Landkreis.

Auch die Alte Kass bietet viele Beispiele für Nachhaltigkeit. So ist etwa das Dach, das eine 37-Kilowatt-Solarstromanlage beheimatet, mit 1500 Getreidestrohballen gedämmt. Der Strom fließt unter anderem in eine Fahrradstation, an der bis zu zehn Radler gleichzeitig ihre E-Bikes auflagen können.

Lampen sind aus alten Bettflaschen

Das Holz für das Fachwerk, das das Stüble im Café vom Rest des 100 Plätze bietenden Gastraums abtrennt, stammt aus Abbruchhäusern. Die Lampen im Stüble sind aus alten Bettflaschen gebastelt, die die Hepperles bei einer Wohnungsauflösung entdeckt haben. Genauso originell ist die Beleuchtung im Lädle: Hier sind es ehemalige Träubleskisten, die Hepperle auf eine alte Holzleiter montiert und in denen er seine Birnen versteckt hat.

Fast ausschließlich regionale Lebensmittel sind es, die die Hepperles in ihrem Café verarbeiten. „Unser Ziel ist es, den Gürtel um Neidlingen so eng wie möglich zu schnallen“, sagt Hepperle. Alle Kuchen werden von zwei Backfeen in der Alten Kass zubereitet. Das Konzept kommt an. Oft ist das Café voll besetzt. Sogar die Neidlinger, die anfangs skeptisch reagiert hätten, kämen nun ab und an in der Alten Kass vorbei. Dort gibt es Filzkurse oder auch einmal ein schwäbisches Käseseminar für 50 Schweizer Gäste, die mit dem Bus nach Neidlingen gebracht werden. Oder an jedem ersten Samstag im Monat um 14 Uhr ein Strickcafé, bei dem sich die bisher ausschließlich weiblichen Gäste austauschen können. Momentan hat das Café donnerstags, samstags, sonntags sowie an Feiertagen offen. Doch eine Ausweitung der Öffnungszeiten ist geplant.