Die Welt trauert um Neil Armstrong. Der erste Mensch auf dem Mond ist am Samstag im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Herzoperation gestorben. Am 21. Juli 1969 betrat er als erster Mensch den Mond.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Ein „Held“ – dieses Wort kommt Amerikanern oft recht leichtfertig über die Lippen. Nur wenige Kilometer vom Startplatz der amerikanischen Raumschiffe in Cape Canaveral steht beispielsweise neben einem Museum für die imposante Technik eine eigene, separate „Halle des Ruhms“. Dort werden nicht nur die Pioniere der sechziger Jahre, sondern alle Astronauten bis hin zu den Mannschaften des inzwischen eingemotteten Spaceshuttles hemmungslos aufs Podest gehoben.

 

Dem US-Präsidenten Barack Obama und seinem republikanischen Rivalen Mitt Romney sind keine besseren Vokabeln eingefallen, als sie den Tod des am Samstag mit 82 Jahren überraschend an den Folgen einer Herzoperation gestorbenen Astronauten Neil Armstrong betrauerten. „Einer der größten amerikanischen Helden“, sagte Obama. „Neil Armstrong nimmt seinen Platz in der Ruhmeshalle der Helden ein“, kondolierte Romney.

Aber wenn Heldenmut bedeutet, für ein höheres Ziel unberechenbare Risiken einzugehen, dann hat auf Armstrong dieses Wort sicher gepasst. Raumflüge der sechziger Jahre waren aus heutiger Sicht eine hochriskante Angelegenheit. Zwischen dem ersten Raumflug eines Amerikaners im Jahr 1961 und Armstrongs erstem Schritt auf dem Mond lagen ganze acht Jahre. Das war ein verwegenes Tempo, das auch Opfer forderte wie die drei bei einem Bodentest verbrannten Astronauten der ersten Apollo-Rakete.

Und beinahe wäre auch die erste Mondlandung schiefgegangen. Es war nicht zuletzt der Kaltblütigkeit des damals 38-jährigen Ingenieurs und Testpiloten Armstrong zu verdanken, dass am 20. Juli 1969 um 21.17 Uhr der sanfte Aufsetzer der Mondlandefähre Eagle (Adler) am Ende doch noch gelang. Die ursprünglich geplante Landezone hatte sich als zu sehr mit Kratern übersät erwiesen. Armstrong, der vom Computer die manuelle Kontrolle übernahm, flog einfach weiter, als es sämtliche Simulationen vorgesehen hatten. Am Ende blieb nur noch eine Treibstoffreserve von wenigen Sekunden. „Der Adler ist gelandet“, waren die ersten offiziellen Worte an die den Atem anhaltenden Bodeningenieure in Houston. Dann, am 21. Juli um 3.56 Uhr deutscher Zeit, berührte sein linker Fuß den Mond. Die in vergrieselten, schwarz-weißen Bildern sichtbaren Hüpfer von Neil Armstrong und seinem Partner Edwin Aldrin waren in einer Epoche vor dem Internet genug, um für die ganze Welt die Landung zum epochalen Ereignis zu machen. Doch dauerhaft erinnerte sich die Menschheit nur an den ersten Menschen, der das Profil seiner Stiefel wenige Zentimeter tief in den Mondstaub gesetzt hatte – eine herausgehobene Rolle, die Neil Armstrong eher irritierte als erfreute.

Amerika erinnert sich an seinen eigenen Mythos

Im Jahr 2005 musste er sogar gegen seinen Friseur prozessieren, weil der eine Haarlocke von ihm für mehrere Tausend Dollar zu versteigern versuchte. Doch er hatte wie die meisten damaligen Astronauten bereits als Testpilot in den fünfziger Jahren die haarsträubendsten Situationen überstanden. Der Zivilist verkörperte perfekt den Prototyp des eisern beherrschten, uneitlen, selbstlosen und bescheidenden „Raumfahrtsoldaten“.

Wenn Amerika jetzt Armstrong betrauert, erinnert es sich auch an seinen eigenen Mythos. Armstrong landete auf dem Erdtrabanten in einer Zeit, als die USA durch Vietnamkrieg, Jugendrevolten und Rassenunruhen zutiefst zerrissen waren. Auf dem Mond war das alles vergessen. „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind.“ Dieser Satz von Neil Armstrong ist unsterblich geworden: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit.“

Die USA als Fackelträger der Menschheit – dahinter verschwand die Tatsache, dass nur die bittere Rivalität der Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion die Mondlandung möglich gemacht hatte.

„Er war ein Beispiel für uns alle.“

Armstrong vollbrachte seine Heldentat, als sie in den Augen von Hunderten von Millionen Fernsehzuschauern noch den Reiz des Neuen hatte. Andere Kollegen, etwa die Astronauten der Apollo-Mission mit der Unglücksnummer 13, vollbrachten mindestens so große Akte des Heroismus.

Doch Armstrong blieb der Erste. Es ist die Ironie seines Lebens, dass er der erste Mensch auf dem Mond wurde, weil er darüber enttäuscht war, nicht mehr der erste zu sein, wenn es darum ging, neue Horizonte in der Luftfahrt aufzustoßen.

Nach dem Mondflug war rasch Schluss mit der Raumfahrt

Der im ländlichen Ohio geborene Armstrong war im Alter von sechs Jahren das erste Mal in einem Flugzeug geflogen. Dies war ein Erlebnis, das ihn so sehr prägte, dass er mit 15 Jahren einen Flugschein besaß – bevor er ein Auto fahren konnte. Nach seinem Studium der Ingenieurwissenschaften war es der Koreakrieg, in dem Armstrong zu einem nervenstarken Piloten wurde, der auch einen Abschuss zu überstehen hatte. Später wurde er Testpilot der Luftwaffe, die vor allem von seinen intellektuellen Fähigkeiten und seinem brillanten Gedächtnis beeindruckt war. Der ehrgeizige Ingenieur blieb aber immer Zivilangestellter. Die Besten der Besten unter diesen Piloten wurden Anfang der sechziger Jahre zum Kader für das Raumfahrtprogramm. Armstrong bewarb sich in der zweiten Gruppe der US-Astronauten.

1966 startete er mit der Mission Gemini 8 zu seinem ersten Raumflug und umkreiste dabei 55-mal die Erde. Mit dem ersten Andockmanöver von zwei Raumschiffen schrieb er schon damals ein Stück Technikgeschichte. Von 1967 an gehörte er zur Gruppe der für die ersten Mondflüge vorgesehenen Astronauten – und überstand bei der Ausbildung einen lebensgefährlichen Unfall, als er in den letzten Zehntelsekunden aus einer abstürzenden Trainingsraumfähre absprang. Im März 1969 wurde Armstrong in einer geheimen Nasa-Sitzung zum Kandidaten für den ersten Schritt auf dem Mond. Dass er als uneitel galt, soll bei dieser Entscheidung mit den Ausschlag gegeben haben.

Armstrong machte folgerichtig nach dem Mondflug rasch Schluss mit der Raumfahrt. Er arbeitete nur noch kurze Zeit weiter bei der Nasa, war dann in den Aufsichtsräten einiger Unternehmen aktiv. Im Gegensatz zu anderen Kollegen wie dem späteren Senator John Glenn hielt er aber Distanz zur Politik. „Ich bin und werde immer ein streberhafter Ingenieur mit weißen Socken und Kugelschreiberetui sein“, sagte er Jahr 2000 bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte. Von seiner ersten Frau ließ er sich 1994 mit 64 Jahren scheiden und lebte die letzten Jahre mit seiner 15 Jahre jüngeren, zweiten Frau zurückgezogen wieder in Ohio.

„Er hatte immer eine würdevolle und bescheidene Haltung“, sagt Charles Bolde, der derzeitige Nasa-Chef: „Er war ein Beispiel für uns alle.“ Aber solange es Geschichtsbücher gebe, werde man sich wohl an Armstrong als denjenigen erinnern, der „den ersten Schritt der Menschheit in eine Welt jenseits unserer eigenen getan hat.“