Der kanadische Songwriter Neil Young legt, diesmal wieder mit seiner Band Crazy Horse, ein neues Album vor. Für einen bald 74-Jährigen präsentiert er sich erstaunlich lautstark.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Zweierlei, bevor von den Inhalten die Rede sein soll. Erstens ist es völlig unverständlich und ein Bärendienst für das ganze Genre, dass der Künstler und die Plattenfirma dieses Album als CD die üblichen rund zwanzig, als Schallplatte jedoch rund fünfzig Euro kosten lassen, ohne dass die Vinylversion einen nennenswerten Mehrwert bietet (und als solchen will man eine beigefügte Single gewiss nicht begreifen). Und zweitens wird hoffentlich auch der in wenigen Wochen seinen 74. Geburtstag feiernde Neil Young irgendwann jene Altersweisheit erlangen, die lehrt, dass Rumpelrock mitnichten in Rumpelqualität aufgenommen werden muss. Denn auch auf „Colorado“ ist der kanadische Songwriter zwar seinem Signatureklang treu geblieben, abermals hat aber ausgerechnet jener Mann, der einen eigenen Musikstreamingdienst betreibt, der sich höchster Fonoqualität verpflichtet fühlt, sein eigenes Werk in einer schwach aufgenommenen, unzureichend abgemischten Einspielung in billigem Garagensound vorgelegt.

 

Platz für Zwischentöne

Schade, gehen so doch viele der Zwischentöne im Klangbrei unter, die so typisch für seine feinsinnigen, vielschichtigen, variantenreichen und filigran instrumentierten Songs sind. Zehn neue von ihnen hat Neil Young jetzt seinem seit 51 Jahren zu immenser Breite angeschwollenem Oeuvre hinzugefügt. Die letzten sechs Alben hat er in Eigenregie aufgenommen, für „Colorado“ arbeitet er nun erneut, erstmals seit dem 2012 erschienenen „Psychedelic Pill“, mit seiner Band Crazy Horse zusammen. Bei dieser ist nun Nils Lofgren wieder dabei, der – wie doch die Zeit vergeht – vor fünfzig Jahren schon einmal mit Young zusammenspielte. Der Pop ist nicht erwachsen geworden, sondern längst im Rentenalter, könnte man meinen.

Muss man aber nicht meinen. Denn wenn in Youngs Wahlheimat Mittsiebziger Präsident werden wollen, dürfen Mittsiebziger ja wohl auch Rockmusik machen. Zumal, wenn sie es so gut können wie Neil Young. Die Verhältnisse in eben diesen USA sind erwartungsgemäß auch bei Neil Young Thema, in „Rainbow of Colours“ besingt er nun von breitem Chorgesang gestützt den Wunsch, dass das Leben dort auch künftig regenbogenbunt bleiben möge und nicht nur noch um die Befindlichkeiten weißer, alter und umweltzerstörender Männer kreisen möge, die er wiederum in „She showed me Love“ geißelt, selbst wenn der als Senior in Malibu wohnhafte Besitzer eines Riesenfuhrparks da mit einer gewissen Ambivalenz spricht.

Appetit machende Häppchen

Frei von jeglichem Zwiespalt hingegen zeigt sich der Altrocker im schönsten Song dieses Albums, dem bereits als Appetithappen vorab veröffentlichten „Milkyway“. Schokoriegelsüß tönt die Melodie dieses Sechsminüters, Lofgrens und Youngs Gitarren rumpeln hier nicht, sondern schmiegen sich sanft ins Ohr, prächtig mäandert dieses Stück ohne große Worte vor sich hin.

Nimmt man dazu noch die auf dem Album folgende Pianoballade „Eternity“ sowie das dieses Werk abschließende Stück „I do“ hinzu, könnte man Neil Young fast schon ein altersmildes Werk attestieren. Aber dafür raspeln auf diesem nicht herausragenden, aber stringent durchkomponierten und gelungenen Album ohne Schwachstellen Youngs Stimme wie auch die Gitarren doch noch viel zu nachdrücklich. Allein der Umstand, dass es sich bei „Colorado“ schon um sein zehntes Album in diesem Jahrzehnt handelt, zeigt, dass Neil Young noch einiges zu sagen hat.