Die deutsche Variante von „Breaking Bad?“ Quatsch, das will die Netflix-Serie „How to sell Drugs online (fast)“ gar nicht erst sein. Hier verkaufen zwar biedere Kids Drogen via Internet. Aber das Ganze ist eine schöne Mischung aus Provinzposse und eingedeutschter Highschool-Komödie.

Stuttgart - Er keucht nur noch, der Staubsaugerroboter, der die Spuren der Party von Lisa und ihren Freunden wegschlürfen musste. Immerhin, das Öffnen der Roboterklappe traut sich Lisas Papa, sonst wohl kein großer Heimwerker, gerade noch zu. Und so findet er neben dem Dreck, an dem das Maschinchen zu schlucken hatte, ein kleines Teil, das ihm zu schlucken gibt: eine Ecstasy-Pille.

 

Ja, in der neuen, der dritten deutschen Netflix-Serie „How to sell Drugs online (fast)“ gehört dieses härtere Rauschmittel zum ganz normalen Freizeitspaß der Kids: Vater ist zwar entsetzt, aber Lisa und die anderen haben nicht das Gefühl, tief in die Asozialität oder in die medizinische Hochrisikozone abgedriftet zu sein: Alles im Griff, glauben die Kids.

Auf Augenhöhe der Kids

Diese Serie, die von der Bildundtonfabrik in Köln stammt, nimmt nun nicht die Perspektive des geschockten Vaters ein, sondern eher den lässigen Blick der Partymacher. „Wir wollten eben nicht mit dem großen Zeigefinger arbeiten“, sagen die Produzenten Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann, die mit Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ regelmäßig Preise holen, „sondern auf Augenhöhe der Kids.“

Dass das für Diskussionen und Bedenken sorgen wird, ist ihnen klar. Schließlich geht es nicht um eine einzelne Ecstasy-Tablette. Der unglücklich verliebte 17-jährige Moritz Zimmermann (Maximilian Mundt), ein Computerchecker, kein Aufreißertyp, tröstet sich zwar immer wieder mit dem Spruch „Nerd today, Boss tomorrow“, also „heute Sonderling, morgen Boss“. Aber dass ihn seine Freundin Lisa (Lena Klenke) für einen Typen sitzen lässt, der dealt und und auch darum als cooler Hund gilt, will er nicht einfach hinnehmen. Auch Moritz besorgt sich Drogen. Und die steckt er nicht einfach aus der Hosentasche heraus anderen zu wie andere Amateure.

Generation Klimapolitik

In seinem Liebeskummer funktioniert Moritz eine Software um, die er und sein Kumpel Lenny (Danilo Kamperidis) für ein legales Webshop-Projekt entworfen hatten. Er macht daraus einen Versandhandel für Drogen und baut europäische Kontakte auf. Lenny überrumpelt er böse, aber letztlich macht der wider alle Vernunft doch mit: Der Kitzel ist zu groß.

Und diesen Kitzel will „How to sell Drugs online (fast)“ spüren lassen, mit flotten Bildmontagen etwa und knuffigen kleinen Chatanzeigen über Figuren, die gerade nur körperlich in der Schule und mit dem Kopf woanders sind. Der Unterschied zwischen Online-Lästern und Drogenhandel scheint dabei marginal.

Dem erwartbaren Tadel, da werde nicht genügend vor Drogen gewarnt, hat auch der Drehbuchautor Stefan Titze etwas entgegen zu setzen. Der will ein junges Publikum nicht für dumm verkaufen: „Wir reden da von einer Generation, die sehr reflektiert ist und Dinge checkt, die wöchentlich für eine bessere Klimapolitik auf die Straße geht.“

Anfänger und Brutalos

Trotzdem beschleicht einen die Ahnung, dass „How to sell Drugs online (fast)“ bei den öffentlich-rechtlichen Sendern so nicht möglich gewesen wäre. Tatsächlich schildern alle Beteiligten die Arbeit mit dem amerikanischen Streamingdienst Netflix als sehr offen und angenehm. Aber bei deutschen Sendern kam die Hürde sowieso viel früher, nicht erst beim Drogenthema. „Wir wollten schon sehr lange mal neben dem „Neo Magazin Royale’ auch ein fiktionales Format ausprobieren“, sagt Käßbohrer. „Aber man hat uns das nicht zugetraut, eben weil wir es noch nie gemacht haben“, erklärt Murmann die Patsche jener, die mit etwas anderem als einer Serie oder einem Film – egal, wie erfolgreich das Projekt wurde – ihre Karriere starteten.

Einer, der dagegen gleich an Bord kam, als man ihm das Drehbuch hinlegte, ist Bjarne Mädel. „Ich wollte eh schon immer mal einen Bösewicht spielen“, sagt der Mann, der mit Ernie in „Stromberg“ und mit Schotty im „Tatortreiniger“ zwei unvergessliche TV-Charaktere zum Leben erweckt hat. „Als Dorfdealer Buba konnte ich mich auch äußerlich verändern, das macht mir besonders großen Spaß.“ Mädels Figur ist die schizophrenste der Serie: Einerseits ein Brutalo, dessen mitleidlose Tiertötungen ahnen lassen, wie er mit missliebigen Menschen umgehen könnte, andererseits ein verschrobener Plauderer, der wie frühere Mädel-Figuren alltagsphilosophische Tiefflugakrobatik vollführt.

Realität und Komik

Eines geht allen Beteiligten auf die Nerven: die schon im Vorfeld festgefressene Deutung, sie hätten ein deutsches „Breaking Bad“ versucht. Dabei stammt die Idee zur Serie vom realen „Shiny Flakes“-Fall: ein Leipziger Jugendlicher hat übers Netz Drogen verkauft und mindestens 13 000 Bestellungen abgewickelt – was ihm eine siebenjährige Gefängnisstrafe eingebracht hat.

Käßbohrer, Murmann und ihr Team sahen die Chance, einen Stoff aus der Realität mit den erprobten Formeln der amerikanischen Highschool-Komödie zu kombinieren, also junges Publikum zu unterhalten, ohne nur zu blödeln. Der Spagat ist erstaunlich gut gelungen. Wo doch sonst deutschen Serienmachern permanent vorgehalten wird, sie seien zu so etwas Leichtem – einer Teeniekomödie, die weder blöde albern noch pädagogisch überfrachtet ist und auch Exportchancen auf dem angelsächsischen Markt hätte - gar nicht fähig. Ein Teil des Lohns dafür zeichnet sich in den ersten Kritiken ab: „How to sell Drugs online (fast)“ wird dafür gerupft, viel zu nahe dran an amerikanischen Highschool-Komödien zu sein.

Verfügbarkeit: Netflix,
alle sechs Folgen der ersten Staffel sind bereits abrufbar.