Die Anforderungen des Amtes sind für neu gewählte Gemeinderäte vielfältig, doch viele finden gar nicht die Zeit, sich in Seminaren auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten – sie lernen von ihren erfahrenen Kollegen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Nach der Siegesfeier kommt mancher neue Gemeinderat oder manche Gemeinderätin ins Grübeln: Haushalt, Bebauungsplan, Gemeindeordnung, Finanzwesen – weiß ich überhaupt genug, um mein Mandat als Volksvertreter so auszuüben, dass die Wähler mit mir zufrieden sind und die Verwaltung mich ernst nimmt? Bürgermeister und Hauptamtsleiter haben meist eine Ausbildung an der Hochschule für Verwaltung in Kehl oder Ludwigsburg hinter sich und kennen sich aus in Recht und Gesetz. „Es gibt ein klares Gefälle zwischen Profis und Laien“, bestätigt auch der Rektor der Kehler „Bürgermeisterschmiede“, Professor Paul Witt. „Dagegen hilft nur eines – sich selbst professionalisieren.“

 

Leichter gesagt als getan, denn die Zeit der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker neben Partei oder Gruppe, Familie und Beruf ist knapp. „Ich kenne keinen, der einen solchen Kurs gemacht hat“, sagt Jürgen Höfflin (47). Der DGB-Regionalvorsitzende von Südbaden scheidet nach einer Legislaturperiode wieder aus dem Freiburger Gemeinderat aus. „Der Zeitaufwand lässt sich mit meinen sonstigen Aufgaben und mit der Familie nicht vereinbaren“, hat der SPD-Stadtrat festgestellt. Als gewerkschaftlicher Arbeitsmarkt- und Sozialexperte fühlte er sich vor seiner Wahl 2009 ausreichend auf das Amt vorbereitet, folgerichtig konzentrierte er sich auf diese Themen in Rat und Ausschüssen.

Die Kehler Hochschule bietet etliche Seminare an

So machen es wohl die meisten Gemeinderäte. „Learning by Doing ist die Regel“, sagt Rektor Witt. Meist kandidieren ja auch Menschen, die sich bereits kommunalpolitisch engagiert haben. Im Bürgerverein, in einer Partei oder in einer Bürgerinitiative. Aber es ist etwas anderes, mal hier oder da zu opponieren oder einen Brief mit Forderungen an den Bürgermeister zu schreiben, als Akteur im Kommunalparlament zu sein. „Wir stehen mit Angeboten in den Startlöchern“, sagt Paul Witt. Die Kehler Hochschule veranstaltet mit ihrem Institut für Fort- und Weiterbildung in den Monaten Juli, September und Oktober in Kehl, Konstanz, Mosbach und Pforzheim fünf Seminare für neu gewählte Gemeinderäte. Jeweils freitagnachmittags und samstagvormittags zum Preis von 390 Euro. Es geht um Rechte und Pflichten der Räte, um die Rollenverteilung zwischen Bürgermeistern und Räten, um Bauen und Planen und um das kommunale Haushaltsrecht. „Wer das absolviert, hat eine tragfähige Grundlage“, findet Witt.

Wer mehr will, kann ein sogenanntes Kontaktstudium Verwaltung belegen, das sind vier Wochenendblöcke jeweils von Donnerstag bis Samstag. Im Prinzip kann sich ein Gemeinderat für solche Schulungen vom Arbeitgeber beurlauben lassen, denn Paragraf 32,2 der Gemeindeordnung schreibt fest, dass „ihm die für seine Tätigkeit erforderliche Zeit zu gewähren“ ist. Ob Fortbildung dazugehört, hat offenbar noch niemand rechtlich klären lassen. Weder Witt noch Norbert Brugger vom baden-württembergischen Städtetag ist ein solcher Fall bekannt. „Die zeitliche Freistellung wird in der Regel im Einvernehmen geregelt“, sagt Brugger. Etwas anderes ist es, wenn eine Gemeindeverwaltung für neue oder alte Gemeinderäte eine verpflichtende Schulung bestellt. Dann gehörte dies zur Amtstätigkeit, und eine Befreiung von der Arbeit wäre möglich.

Die Resonanz auf die Schulungsabgebote ist verhalten

Würde ein Gemeinderat die volle Stundenzahl seines ehrenamtlichen Engagements beim Arbeitgeber geltend machen, gäbe es sicher Ärger, die Schätzungen für den Aufwand im Ehrenamt schwanken zwischen 40 und 80 Stunden pro Monat, je nach Beanspruchung, etwa als Fraktionsvorstand und Aufsichtsrat. Auch die Kosten für eine Fortbildung bleiben bei den Gemeinderäten hängen, das Budget der Fraktionen reicht dafür in der Regel nicht aus. Und so ist die Resonanz auf Schulungsangebote relativ verhalten, die meisten Räte lernen von den Altvorderen.

Es gibt aber Kurse, die zeitlich und finanziell für jeden Gemeinderat tragbar sind. Dazu gehören die Angebote der Verwaltungsschule des Gemeindetages von Baden-Württemberg. Dort gibt es nach Kommunalwahlen Lehrgänge für Neulinge. Das diesjährige Programm wird am 2. Juni verschickt. Zu den Themen gehören das Kommunalrecht, das Finanzwesen, das Bau- und Planungsrecht sowie das Kita- und Schulwesen. Die Fortbildung wird gemeinsam mit dem Städtetag organisiert. Seminare, Workshops und Kurse gibt es auch bei parteinahen Stiftungen. Sie heißen „Green Campus“ (Heinrich-Böll-Stiftung), „Kommunalpolitisches Seminar“ (Konrad-Adenauer-Stiftung), „Kommunalakademie“ (Friedrich-Ebert-Stiftung) oder „Virtuelle Akademie“ (Friedrich-Naumann-Stiftung). An der Weiterbildung von Gemeinderäten sollten übrigens auch die Bürgermeister Interesse haben, mahnt der  Hochschulrektor Paul Witt: „Wer den Informationsvorsprung ausnutzt, kann schnell das Vertrauen von Räten verscherzen – und das ist zuweilen schwer bis kaum wieder zu reparieren.“ Mit kompetenten und gut informierten Räten sei Politik leichter und besser zu machen.