Ist es der Beginn der Renaissance des stationären Handels in der Innenstadt? Die Yoga-Marke Lululemon, neu im Dorotheen-Quartier, geht jedenfalls besondere Wege, um an Kunden zu kommen.

Stuttgart - Man spricht nicht gerne darüber. Und man verbietet den Mitarbeitern, darüber zu sprechen. Es mag daran liegen, dass dieses Konzept im Einzelhandel noch kaum verbreitet – vielleicht sogar einzigartig ist. Es geht um die Marke Lululemon und den dazugehörenden Laden im Dorotheen-Quartier, der seit etwa vier Wochen am Start ist. 1998, als Händler für Yoga-Bekleidung gegründet, verkauft er seine Produkte inzwischen international in 460 Läden sowie online. Sogar Adidas-Chef Kasper Rorsted meinte zuletzt: „Die schauen wir an und sehen, was sie gut machen. Es wäre arrogant, das nicht zu tun.“

 

Was aber macht die Marke so besonders? Was machen die Kanadier so gut? Sind es alleine die Produkte? Die sind offenbar von guter Qualität und Passform, wie auch die Stuttgarter Yogalehrerin Susanne Klingenstein berichtet: „Super angenehm auf der Haut, weiches Material, das trotzdem Halt gibt.“ Nix würde verrutschten. Ach ja, das gute Aussehen bei der Leggins ist im stolzen Preis (98 Euro) mit dabei. Damit hat die Yogalehrerin und Mitinhaberin von Yoga 13 am Marienplatz bereits einen Teil des Erfolgs dieser aufstrebenden Marke und deren Vertriebskonzept erklärt. Sie ist Werbe- und Markenbotschafterin von Lululemon. Ihr Auftrag, so lässt die Chefetage aus Kanada mitteilen: „Sich mit der lokalen Community zu verbinden und für sie relevant zu sein.“

Die Botschafter sind zwei Jahre unter Vertrag

Susanne Klingenstein hat berühmte Kollegen und Kolleginnen. Zu den Markenbotschaftern weltweit zählen der Fitnesstrainer Akin Akman, der Meditationslehrer Manoj Dias, die amerikanische Snowboarderin Hailey Langland, die Schauspielerin und ehemalige Fitnesstrainerin Deja Riley sowie der britische Fitnesstrainer Joe Wicks. In Stuttgart ist zudem der Lauftrainer Malte Eckert als so genannter „Ambassador“ aktiv. Er trainiert seit 2021 einmal in der Woche für die Laufcommunity „Laufzeit Stuttgart“, eine Laufgruppe des SG Stern. Die Stuttgarter Botschafter, deren Vertrag zwei Jahre läuft, werden für ihre (Social-Media-)Aktivitäten und der Beteiligung an Events bescheiden vergütet und mit Klamotten ausgestattet.

Dahinter steht jeweils die Ausgangsfrage, die sich der Sporthandel in den vergangenen Jahren immer wieder stellte: Wie kommt das Produkt zum Kunden? Auch in dieser Branche ist der Umbruch sichtbar. Das traditionelle Sportgeschäft in der Stadt (Vosswinkel, Sportarena, Karstadt Sport, Sport Breitmeyer) hat entweder längst aufgegeben oder muss um seine Existenz fürchten. In einer Studie prognostizieren der Sportartikel-Weltverband (WFSGI) und die Unternehmensberatung McKinsey, dass ein Viertel des Geschäftes mit Sportartikeln künftig online laufen wird, doppelt so viel wie 2019. Die großen Hersteller verlegen ihre Aktivitäten daher in den Direktvertrieb über eigene Online-Shops. So will Adidas angeblich seine Online-Erlöse bis 2025 auf bis zu neun Milliarden Euro mehr als verdoppeln.

Die Yoga-Community im Visier

Aber auch online, wird nur das gekauft, was man kennt. Und hier kommen wieder die Markenbotschafter ins Spiel. „Die Zusammenarbeit mit führenden Vertretern der Fitnessbranche, um die Produkte von Lululemon zu testen und sich in der lokalen Community zu engagieren, war von Anfang an Teil der Markenstrategie“, erklärt eine Sprecherin von Lululemon. Weiter sagt sie: „Im Laufe der Jahre hat das Unternehmen das Botschafterprogramm weiterentwickelt und ausgebaut, um sicherzustellen, dass es die Community repräsentiert, zu der sowohl die Botschafter als auch die stationären Läden gehören.“ Die Botschafter sollen „Produkte testen, Feedback geben und sich in der lokalen Community engagieren“. So oder so: Es klingt nach einer Renaissance des stationären Handels.

Zu dieser Community gehören freilich die Yogastudios, aber auch im Laden soll sich eine Gemeinschaft bilden. „Normalerweise räumen wir hier die Fläche leer und veranstalten samstags Yogastunden“, erzählt eine Verkäuferin im Stuttgarter Store einer Kundin, „und im Sommer wollen wir auch draußen im Dorotheen-Quartier etwas anbieten.“ Nicht zuletzt deshalb investiert Lululemon im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche stark in ihre stationäre Präsenz: „Die Stores bieten den Menschen vor Ort einen Raum, an dem sie sich verbinden, zusammenarbeiten und etwas schaffen können, das spezifisch für diese Gemeinschaft ist“, so eine Sprecherin, „sie ermöglichen das Testen von Produkten vor Ort, den Aufbau physischer Gemeinschaften und die Unterstützung lokaler Athleten – das heißt, sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs der Marke.“ Allein im dritten Quartal eröffnete Lululemon laut dem Ergebnisbericht des Unternehmens weltweit 18 Läden und in Stuttgart den zehnten in Deutschland. Wer weiß, vielleicht zieht Adidas oder ein anderer Großer der Sportartikelbranche bald nach.