Kein Film für die Kleinen: Der Regisseur Gerard Johnstone lässt Künstliche Intelligenz ins Kinderzimmer einziehen – Horror pur!

Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch. Seit im November letzten Jahres das Textgenerierungsprogramm ChatGPT ins Netz gestellt wurde, ist eine weitere digitale Zeitenwende für alle sichtbar und zugänglich. Das auf Künstlicher Intelligenz basierende Chatbot kann nach entsprechender Textfütterung Rilke-Gedichte oder solide wissenschaftliche Texte eigenständig verfassen. Die Angst, dass die Maschinen irgendwann schlauer sind als ihre Erfinderinnen, wurde im Kino schon in zahlreichen Science-Fiction-Szenarien durchgespielt.

 

James Camerons „Terminator“ (1984) schickte Arnold Schwarzenegger als omnipotenten Maschinenmann aus der Zukunft in die Gegenwart der 80er Jahre. In Spike Jonzes „Her“ (2013) wurde ein persönliches Betriebssystem zur einfühlsamen Lebensbegleiterin, die menschliche Beziehungen kompetent ersetzte. Nun lässt der Horrorfilm „M3gan“ von Gerard Johnstone die Künstliche Intelligenz ins Kinderzimmer einziehen.

Ideale Spielgefährtin?

Nachdem die Eltern bei einem Unfall gestorben sind, bekommt Gemma (Allison Williams) das Sorgerecht über ihre achtjährige Nichte Cady (Violet McGraw) zugesprochen. Von den emotionalen Ansprüchen des traumatisierten Mädchens ist die Robotik-Expertin überfordert. Im Betrieb arbeitet Gemma an der Entwicklung einer Puppe, die für die junge Kundschaft kein stummes Spielzeug mehr sein soll, sondern eine mit Künstlicher Intelligenz angetriebene Freundin. Um die Nichte zu trösten, bringt sie ihr den Prototypen mit nach Hause.

M3gan heißt die Puppe, die laut Aufgabenstellung seelisches und physisches Leid von dem Kind abwenden soll. Und tatsächlich erweist sich die sprechende und denkende Puppe für Cady gleichermaßen als ideale Spielgefährtin und verantwortungsvolles Au-pair. Aber schon bald gerät das lernfähige Programm außer Kontrolle. Der bissige Hund der Nachbarin gehört zu den ersten Opfern der Puppe, die sich in eine militante Helikoptermutter verwandelt.

Verlockungen und Gefahren

In der ersten Hälfte loten Regisseur Johnstone und Drehbuchautorin Akela Cooper das Thema Künstliche Intelligenz im Kinderzimmer durchaus kompetent aus. Die Verbindung zwischen intelligentem Spielzeug und bedürftigem Kind, die sich schon bald in ein ungesundes, emotionales Abhängigkeitsverhältnis verkehrt, wird auf interessante Weise erkundet. Verlockungen und Gefahren eines Spielzeuges, das sich vollkommen auf das Kind einstellt, verzahnen sich ineinander. Aber dann verabschiedet sich der Film viel zu früh vom psychologischen Kern der Geschichte, um sich als blanker Horrorfilm zu profilieren. Spätestens wenn die Puppe auf allen vieren wie ein Raubtier einem unliebsamen Klassenkameraden hinterherjagt, ist die Grenze zum klassischen B-Movie überschritten.

Sukzessive wird die Horror- und Gewaltspirale weiter angetrieben, um die vielversprechende Geschichte in einem hanebüchenen Finale verpuffen zu lassen. Aus dem selbst gebauten Genre-Gefängnis, in dem auch Puppen-Horror-Klassiker wie „Chucky – die Mörderpuppe“ (1988) oder „Annabelle“ (2014) untergebracht sind, kann und will „M3gan“ leider nicht ausbrechen.

M3gan: USA 2022. Regie: Gerard Johnstone. Mit Allison Williams, Violet McGraw und Jen Van Epps. 102 Minuten. Ab 16.