Robert Redford und Nick Nolte stapfen gemeinsam den Appalachian Trail entlang. Ihre Figuren finden in dem starken Film atemberaubende Natur – und jede Menge Überraschungen.

Stuttgart - Das beste an Robert Redford (78) ist, dass sein von den Jahren zerfurchtes Gesicht schon im Freizeitmodus packende Geschichten vom Leben erzählt. Und das Gesicht von Nick Nolte (74) tut es dem von Robert Redford gleich. Man müsste also richtig viel falsch machen, damit ein Film über zwei Rentner, die gemeinsam den legendären, 3500 Kilometer langen amerikanischen Fernwanderweg Appalachian Trail bezwingen wollen, misslingt, sofern man diese starken Typen mit Robert Redford und Nick Nolte besetzt.

 

Ken Kwapis, der Regisseur, hat aber gar nichts falsch gemacht, und so gerät sein Film „Picknick mit Bären“ zum hellsichtigen philosophischen Statement, in dem sich – quasi nebenbei – eine heitere Slapstickkomödie versteckt und ein großartiger Naturfilm obendrein. „Es gibt mehr Galaxien im Weltall als Sandkörner auf der Erde“, erklärt der halbpensionierte Reiseschriftsteller und glückliche Ehemann, Vater und Opa Bill Bryson (Robert Redford) seinem Kumpel Steven Katz (Nick Nolte), als die beiden Wandersmänner gerade ihr Nachtlager auf einem gefängnisartigen Felsvorsprung errichten, auf den sie ungeschickterweise gestürzt sind. „Das ist groß“, schließt Katz, ein gestrauchelter Exalkoholiker, dessen Leben zu einem nicht geringen Teil in der Vermeidung von Gefängnisaufenthalten besteht. „Und wir sind klein“, resümiert Bryson.

Und darum geht es auch in diesem Film, der in Deutschland ein wenig zu klamaukig unter dem Titel „Picknick mit Bären“ anläuft, aber eigentlich viel umfassender „A Walk in the Woods“ heißt – um die Probleme des ganz normalen menschlichen Daseins, die auch darin bestehen können, dass es einen erfolgreichen und geliebten alten Mann mit attraktiver Frau, lustigen Enkeln und schönem Haus nach einer existenziellen Herausforderung dürstet. Und um ihre Bedeutsamkeit oder Nichtigkeit angesichts der Größe des Universums.

Er sieht keinen Sinn im Blabla

Dieser Bryson, der in Talkshows nicht auf die Witze des Moderators einsteigt und bei Beerdigungen im englischen Original auch mal „It’s our pleasure“ zur trauernden Witwe sagt, ist ja nicht mal zynisch. Er sieht nur einfach keinen Sinn im inhaltsleer erstarrten Blabla einer konventionellen Welt, die zwar seine Bücher kauft, mit der er selbst aber nicht mehr zu tun haben möchte als nötig. „Unterhalte dich mit Leuten, das ist gut für dich“, rät ihm seine schöne Frau Catherine, der die Schauspielerin Emma Thompson hinreißend unprätentiös Format verleiht, nach seinem Tritt in den Fettnapf bei der Beerdigung. Stattdessen spaziert Bryson ein paar Schritte im Wald herum, stößt zufällig auf ein Schild, das den Weg zum Appalachian Trail weist, und hat fortan ein Großprojekt über all die vielen Meilen und ein halbes Jahr im Kopf.

Seine Familie erklärt ihn natürlich für verrückt, seine Freunde erteilen ihm Abfuhren, nur Steven Katz, ein Reisegefährte von früher, zu dem er keinen Kontakt mehr hat, der ihm aber noch 600 Dollar schuldet, ruft plötzlich an und will mitwandern. Bald darauf ziehen die beiden alten Haudegen tatsächlich gemeinsam los – Bryson mit nagelneuem Hightech-Rucksack, Katz mit der alten Metallgestell-Variante aus der Hippiezeit – aber schon nach ein paar hundert Metern sind sie beide schlapp.

Eingedenk ihrer körperlichen Verfassung kriegen die beiden mit der Zeit aber trotzdem einen gangbaren Rhythmus hin: Wandern und Zelten, langsam aber stetig, dauernd von jungen Fitten überholt aber vorerst nicht zu stoppen, obwohl ihnen ständig Missgeschicke passieren, deren Spaßgehalt aufs Eindrucksvollste mit Robert Redfords Schmerzensgesicht kontrastiert Mal plumpsen die beiden Wanderer in einen Fluss, mal stürzen sie ab, einmal klauen ihnen zwei Bären ein paar Vorräte, dann wieder wird Katz von einem wütenden Schwergewicht verfolgt, bloß weil er dessen Gattin im Waschsalon behilflich war. Bryson und Katz wandern im Wald, sie nutzen die Segnungen der Zivilisation mitunter besuchsweise, und irgendwann stehen sie auf dem Mc Afee Knob, einem spektakulär ausgesetzten Felsen in Virginia, von dem aus Amerika so grün und wild aussieht, wie Abenteurer sich das erträumen.

Robert Redford findet heitere Gelassenheit

Da nun schüttet Katz den Inhalt seiner aus Sicherheitsgründen mitgeschleppten Schnapsflasche freiwillig aufs Gestein, und Bryson bekennt, dass auch in seinem Leben nicht alles ist, wie es scheint. Zwei Kumpel, die wieder Freunde werden, finden einander und nicht zuletzt sich selbst. Und Robert Redford, der die identitätsstiftende Auseinandersetzung mit der rauen Natur in „All is lost“ noch im Kampfmodus auf Leben und Tod bewältigen musste, findet nun zu einer noch unterhaltsameren heiteren Gelassenheit. Es ist wie es ist, erzählt er uns in diesem Film, aber du machst daraus, was du daraus machst.

Und der Trail, das Ziel, der Erfolg? Vielleicht darf man verraten, dass die beiden Rucksackträger weiter kommen, als die Zurückgebliebenen je für möglich gehalten hätten. Ganz so weit wie geplant kommen sie aber nicht. Doch als sie sich voneinander verabschieden, um in ihre jeweiligen Leben zurückzukehren, sind beide zufriedener, als sie es vor Beginn ihrer Reise gewesen sind. Dieser in seiner ganzen Grandiosität auch sehr feinfühlige Film brüllt uns kein zynisches „Jeder ist seines Glückes Schmied!“ ins Ohr. Aber er weist zart darauf hin, dass man, unter gewissen Voraussetzungen, in der Lage sein kann, dazu beizutragen. Danke für die Erinnerung.