Comedy Central zeigt die Neuauflage einer Privatfernsehlegende: Takeshi’s Castle. Das wäre nicht weiter der Rede wert, würde es nicht so putzig an Tage erinnern, als man mit wenig noch viel Wirkung erzielen konnte.

Stuttgart - Ach, das duale System war auf seine ganz eigene Art und Weise schon ganz schön belebend. Zumindest am Anfang. Als es den Platzhirschen die werbefinanzierten Schreihälse von RTL Plus bis Tele 5 vor den öffentlich-rechtlichen Latz knallte, zog sich dort schließlich menschliches Obst zu rätselhaften Ratespielen aus, während ein Hütchenspieler die Zeit bis zum Sendeschluss vertrieb. Hella von Sinnen trug Tortenkostüme, Maren Gilzer Granitlächeln. Und drei Jahre, nachdem Sat1 seinen Talkstar Margarethe Schreinemakers live vom Bildschirm geschossen hatte, betrat ein asiatisches Spaßformat die deutschen Wohnzimmer, das all den Irrsinn des privaten Angebots jener Tage auf ein knallbuntes Schaumstoffschloss hetzte: „Takeshi’s Castle“.

 

Schon Mitte der Achtziger produziert, zeigte der Sport1-Voläufer DSF ab 1999 auch hierzulande, wie 100 schmerzbefreite Kandidaten die Spielzeugfestung eines Fantasiegenerals stürmten. Es war die Extremvariante des betulichen „Spiel ohne Grenzen“, eine Art analoges Jump’n’Run der Gameboy-Ära, und hatte demnach seine Zeit – auch wenn Millionen Japaner bis heute regelmäßig zusehen, wie sich ulkig kostümierte Ottonormalverbraucher auf bizarren Hindernisparcours zum Horst machen. Was also, könnte man fragen, hat dieser aufgekratzte Blödsinn aus der Frühphase televisionärer Fremdscham im Endstadium des Leitmediums früherer Tage zu suchen?

Ästhetik von Godzilla-Filmen

Ab Samstag moderiert Oliver Kalkofe, der lebende Sprechautomat bissiger Kommentare aufs eigene Biotop, die Neuauflage von „Takeshi’s Castle“ und beteuert pflichtschuldig, sich sehr auf dieses „ganz besondere Kleinod des gehobenen TV-Irrsinns“ zu freuen. Drei Jahrzehnte nach dem japanischen Ursprung wird es 2018 zwar in Thailand hergestellt; das Prinzip allerdings bleibt relativ unverändert: Zunächst mal 20 Folgen lang müssen jeweils hundert Kandidaten bei Comedy Central ein knappes Dutzend „Challenges“ überwinden, wie all die Sprunggruben, Schlammrutschen und Wasserschlachten nun heißen. Gleich zu Beginn etwa weichen die zutiefst furchtlosen, stets entfesselt grinsenden Teilnehmer auf der „Felsentreppe“ riesigen Polsterkugeln aus, um die nächste Herausforderung zu erreichen.

Das Tempo erinnert dabei an Stummfilmslapstick, die Ästhetik an Godzilla-Filme. Offiziell geht es für 69 Überlebende darum, sodann als „Das menschliche Klettband“ über einen Teich hinweg in ein Spinnennetz zu schwingen oder weitere 21 Ausgeschiedene später das „Honigwaben-Labyrinth“ voll fieser Schurken zu überstehen, bevor es Richtung Finale geht. Tatsächlich aber weiß Oliver Kalkofe natürlich besser, was das Publikum von Takeshi’s Castle 4.0 erwartet: „Zeuge zu werden, wie schön Scheitern doch sein kann“. Schon deshalb erinnert dieses Low-Budget-Format mit leichter Tendenz zum Nullkommnull-Etat an Pannenshows à la „Upps!“ oder „Echt lustig“, in denen man sich an den Alltagskatastrophen normaler Leute erfreut.

Dummerweise gibt es davon mittlerweile Millionen, besser: Milliarden. Im Internet nämlich, wo das Resultat der privat inszenierten Selbstüberwachungsgesellschaft längst sämtliche Kanäle verstopft. Was also könnte – abgesehen von Oliver Kalkofes Zynismus – im Zeitalter von Snapchat, Instagram und Youtube der Reiz von „Takeshi’s Castle“ sein? Ganz klar: Die unversiegbare Retrowelle des Gegenwartsfernsehens. Von „Jeopardy“ über „Ruck Zuck“ bis hin zum „Glücksrad“ findet darauf ja fast alles Verwendung, was im schnelllebigen Allerlei Tausender Sendungen auf Hunderten Sendern für ein wohlig-warmes Gefühl konser-vierter Nostalgie sorgt.

Dramaturgisch bieten die zwanzigminütigen Kindergeburtstagsschlachten schließlich nur wenig, das sich nicht jede der 31 536 000 Sekunden des Jahres fix aufs Handy laden ließe. Atmosphärisch hingegen darf man sich dank dieser Sendung kurz mal in jene TV-Epoche zurückfühlen, als bereits ein heißer Stuhl sein Medium mächtig in Wallung brachte. Und Schlachten tatsächlich nur zum Spaß stattfanden.