Auf dem Grundstück der ehemaligen Tierklinik an der Stuttgarter Hasenbergstraße 80 soll ein Neubau mit etwa 55 kleinen Wohneineinheiten entstehen. Die Nachbarn versuchen sich nun mit rechtlichen Mitteln gegen die enge Bebauung zu wehren – vermutlich erfolglos.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-West - Der Westen gilt laut der Stadt Stuttgart als eines der am dichtesten besiedelten Wohnquartiere in Deutschland – es ist aber auch der gefragteste Bezirk. Die Nachfrage nach Immobilien ist weit höher als das Angebot. Nun fordern viele mehr Wohnungsbau, andere wiederum eine ökologische Stadtplanung. So sieht zum Beispiel der Rahmenplan Talgrund West vor, Flächen zu entsiegeln und dafür mehr Grünflächen zu schaffen.

 

In der Realität sieht dieser Plan allerdings oft anders aus – das glauben zumindest häufig Nachbarn, wenn sie von einem neuen Bauprojekt betroffen sind. Abgesehen davon, dass Nachverdichtungen vor der eigenen Haustür ja äußerst unpopulär sind, sind einige überzeugt, es gebe für einige Bauherren Möglichkeiten, das vorhandene Baurecht etwas auszureizen. An der Hasenbergstraße 80 sowie an dem Hintergebäude an der Lindenspürstraße 38 B plant der Investor, die Firma SHZ GmbH, auf dem Gelände der ehemaligen Tierklinik und dem dazugehörigen Parkplatz zwei Gebäude mit kleinen Wohneinheiten.

Die Nachbarn kritisieren die dichte und zu hohe Bebauung

Tilman Eberwein, der ebenfalls an der Hasenbergstraße wohnt, wehrt sich gegen das Bauprojekt: „Natürlich wird neuer Wohnraum geschaffen, aber was ist denn das für ein Wohnraum, der da entsteht?“ Denn so, wie die Wohnungen geplant seien, sähe es danach aus, als wären dies Mini-Appartements mit um die 25 Quadratmetern. Er glaubt, dies ziele vornehmlich auf eine Airbnb-artige Nutzung ab: „Worum geht es da? Maximalen Profit rauszuschlagen?“ Er ist der Meinung, die Stadt müsste einschreiten, das Projekt in der Form ablehnen, auch wenn es „städtebaulich sicherlich logisch sei, so eine Lücke zu schließen“.

In der Straße hat er einige Unterstützer, zu einem gemeinsamen Treffen vor Ort sind noch drei weitere Nachbarn gekommen. Auch der Architekt Alexander Michalski, der seit vielen Jahren dort wohnt, ist der Meinung, „Nachverdichtung macht nur dann Sinn, wenn die Qualität für die anderen Bewohner erhalten bleibt.“

Laut den Plänen sollen dort kleine Appartments entstehen

Inzwischen haben sich die Anwohner rechtliche Unterstützung geholt. Die Kanzlei begründet in einem Schreiben an das städtische Baurechtsamt die Einwendungen der Nachbarn mit dem Versuch des Bauherren, „das Maximale aus dem Grundstück und seiner bisher vorhandenen Bebauung herauszuholen versucht“ und das geschehe „unter möglichst weitgehenden Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen von den gesetzlichen Vorgaben“.

Die Kanzlei kritisiert weiter, das geplante Gebäude sei in einem „bürgerlichen Wohnquartier“. Mit Neubau eines Vordergebäudes – bisher ist dort noch ein Parkplatz – und der Umnutzung des hinteren Gebäudes entstünden „52 (!) Kleinstwohnungen, teilweise mit einer Fläche von nur wenigen Quadratmetern, nicht größer als Hotelzimmer“. Damit gehe aber der „Charakter eines gemischten Gebietes, wie ihn die Baustaffel 2 vorsieht“ verloren.

Konkret bemängelt die Kanzlei eine Überbauung des Grundstücks um 36 Prozent, eine gemäß der Baustaffel unzulässige Geschosshöhe – so sei es nicht klar, ob die ausgewiesenen Dachgeschosse auch als Wohnraum genutzt würden –, und die Abstandsflächen würden nicht gewahrt. Die Kanzlei verweist zudem auf „eine ganze Reihe bauordnungsrechtlicher Vorschriften“, die nicht eingehalten würden. Dieser Punkt bezieht sich auf Rettungswege, Barrierefreiheit oder auch Stellplätze.

Vor allem an kleinen Wohnungen für Studenten und Singles mangelt es in der Stadt

Baubürgermeister Peter Pätzold wiederum sieht keine rechtlichen Probleme. Das Bauvorhaben hielte das geltende Baurecht, nämlich das der Baustaffel 2, ein. So werde mit dem Vordergebäude ein neues Wohnhaus geplant, dort wo vorher ein Parkplatz war. Damit werde eine Baulücke geschlossen. Das hintere Gebäude an der Lindenspürstraße 38 B werde in bestehendem Umfang zu einem Wohngebäude umgebaut. „Eigentlich sind es ja sinnvolle Projekte“, sagt Pätzold noch.

Pätzold betont, auf die Größe der Wohnungen könne man als Stadt nicht einwirken, aber angesichts „dringend gesuchter Wohnungen für Studierende und dem wachsenden Segment von Einpersonenhaushalten“, sehe er keine Fehlplanung. „Der Vorwurf, hier würde man jetzt Airbnb oder Ähnliches bauen, ist aus unserer Sicht nicht belegbar.“ Der Vorgang zeige aber das Spannungsfeld zwischen Nachverdichtung und den Interessen der Nachbarn. Außerdem, sagt Pätzold, entspreche das Bauvorhaben sehr wohl den Vorgaben des Rahmenplans Talgrund West.

Bisher liegt noch keine Baugenehmigung vor

Der Architekt Bernd Frank sieht die Einwendungen recht gelassen: „Wenn es bei einem Bauvorhaben vier Nachbarn gibt, bekommen wir mindestens von fünf Anwälten ein Schreiben.“

Geplant seien tatsächlich hauptsächlich Einzimmerwohnungen. Er hält das für eine gute Sache: „Es gibt rund 4500 Studenten, die eine Wohnung suchen, wir wollen da mit unserem Büro unterstützen.“ Interessenten müssten bei ihnen immer einen Bogen ausfüllen. „Wer da angibt, 4000 Euro oder so zu verdienen, der kriegt von uns keine Wohnung“, betont er.

Geplant ist dort, wie er sagt, „das Bestandsgebäude aufzumotzen, vorne kommt der Neubau, dann ist das Straßenbild wieder geschlossen“, sagt er. So sehe es die Baustaffel 2 auch vor.

Derzeit wird das Vorhaben noch geprüft, eine Genehmigung liegt noch nicht vor. Einige Abbruchcontainer stehen aber schon seit Tagen vor der Tür. „Aber wir haben noch keinerlei Eingriffe in die Substanz vorgenommen“, sagt Frank noch.