Der Stuttgarter Süden erhält ein neues Jugendhaus mit integrierter Stadtteilbücherei. Das rund 7,2 Millionen Euro teure Projekt soll gemeinsam mit dem Generationenhaus Heslach zu einer „sozialen Mitte“ werden.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Der penetrante Klogeruch ist das erste, was einem beim Betreten des Jugendhauses Heslach entgegen schlägt. Direkt hinter der Eingangstür befinden sich nämlich die Toiletten. „Wir haben versucht, dort viel zu ändern, aber es reicht nicht“, sagt Berivan Görotas an einem Freitagnachmittag im Dezember bei einem Besuch der Einrichtung.

 

Die 19-Jährige kommt seit Jahren in das Jugendhaus an der Böblinger Straße 92 und hilft stundenweise hinter der Theke aus. Noch weitere Mängel haben die Jugendlichen festgestellt: „Wenn oben im Gymnastikraum einer Sport macht, haben wir Angst, dass die Decke einbricht“, ergänzt die 19-jährige Sofia Asmanidou aus dem Stuttgarter Süden.

Das Jugendhaus ist eine Bruchbude

Freundin Lena Marjanovic sagt: „Wenn vor der Tür die Straßenbahn vorbei fährt, wackeln die Wände und manchmal bröckelt der Putz von der Decke.“ Kurz gesagt: Das Jugendhaus Heslach, Stuttgarts zweitältestes, ist eine Bruchbude. Im Oktober hat es seinen 50. Geburtstag gefeiert und damit rückblickend auch gleichzeitig sein Ende. Das marode Gebäude wird abgerissen, es kommt ein Neubau.

Die Dringlichkeit hat auch der Gemeinderat gesehen und im Haushalt 7,2 Millionen Euro für ein neues Jugendhaus und eine Stadtteilbücherei bereit gestellt. Eine weitere Million Euro kommt von der Gebrüder-Schmid-Stiftung. „Für uns ist das alles wunderbar“, freut sich Sieghard Kelle, Geschäftsführer der Jugendhausgesellschaft. Das Miteinander von Jugendhaus und Stadtteilbücherei hält er für ein Zukunftskonzept: „Wir bauen nur noch selten reine Jugendhäuser.“ In Giebel und Neugereut entstehen Kinder- und Jugendhäuser in Kombination mit Stadtteil- und Familienzentren. „Das ergänzt sich nach unserer Erfahrung gut“, so Kelle. Die Kombination aus Bücherei und Jugendhaus sei deutschlandweit einzigartig. Weil sich an der Böblinger Straße das Mehrgenerationenhaus Heslach befindet, hofft er auf eine Vernetzung verschiedener Altersgruppen. Mitte 2016 soll der Antrag eingereicht, zum Jahresende mit dem Bau begonnen werden.

Ein soziales Rathaus für den Süden

Der Bezirksbeirat Süd hatte das Projekt ganz oben auf seiner Wunschliste für den Haushalt. Ein „soziales Rathaus“ für den Süden schwebte schon dem ehemaligen Bezirksvorsteher Rupert Kellermann (Grüne) vor, der 2012 den Neubau ins Gespräch brachte – gemeinsam mit der Gebrüder- Schmid-Stiftung, die auch das Generationenhaus finanziert hat. Im vergangenen Jahr wurde der Realisierungswettbewerb ausgelobt. Unter 15 Entwürfen ging das Büro von Max Eberle und Jens Gommel aus dem Stuttgarter Süden als Sieger hervor. Sie haben die in zahlreichen Workshops von Bezirksbeiräten, Mitgliedern aus Politik und Verwaltung, sowie Bürgern und Schülern aus dem Stadtbezirk erarbeiteten Vorschläge laut Preisgericht optisch und baulich am Besten umgesetzt.

Die jungen Gäste freuen sich aufs Haus

Für die Leiterin der Stadtbibliothek, Christine Brunner, ist das Modell „bestechend“. „Die Funktionen von Jugendhaus und Bibliothek fügen sich harmonisch ineinander“, befand sie bei der Präsentation im Bezirksbeirat. Auf Basis des Siegerentwurfes wurden die Gebäudekosten von 6,7 Millionen Euro ermittelt. Zu diesen kommen 475 000 Euro für die Ausstattung der Bücherei mit Medien sowie für technisches Equipment. Der Unterhalt verschlingt 220 000 Euro pro Jahr.

Auf rund 520 Quadratemeter haben die Kinder und Jugendlichen dann voraussichtlich 2018 eine Werkstatt, ein Tonstudio, Tanz-, PC- und Proberäume sowie ein offenes Spiel- und Sportdeck. Auch eine Terrasse zum Ausruhen sehen die Pläne vor. Die Stadtteilbücherei hat auf 340 Quadratmetern Platz für rund 15 000 Medien. Die Bibliothek befindet sich im ersten Stock, mit einem Zugang zur Gebrüder-Schmid-Straße. Dieser ist dann die Verbindung zwischen dem Generationenhaus und dem Neubau. Auf einer Fläche von 205 Quadratmetern entstehen Räume, die von Stadtteilorganisationen gemietet werden können. Während der Bauzeit von rund eineinhalb Jahren erhalten die Kinder und Jugendlichen ein Interimsquartier. Vielversprechend ist der Neubau, der sich laut den Architekten in die „vorherrschende Architektur der Straße einfügen soll“, für ganz Heslach. Innerhalb des Stadtteils galt die Böblinger Straße ab Erwin-Schoettle-Platz stadtauswärts lange als Schandfleck. Wegen der herunter gekommenen Gebäuden und leer stehenden Geschäften ist die Straße kein Hingucker.

Die jungen Stammgäste freuen sich aufs neue Haus

Bezirksvorsteher Raiko Grieb (SPD) sieht den Neubau als „allerwichtigstes Projekt und riesige Aufwertung für den Stadtbezirk“ – auch in Ergänzung mit einem weiteren großen Bauprojekt: Stuttgarter Hofbräu hat sein Areal an der Böblinger Straße 104 an Aldi verkauft. Die Supermarktkette plant dort einen Wohnpark mit Ladeneinheiten. Für Grieb passt das optimal: „Dadurch entsteht ein ganz neues Quartier.“ Sein Bezirksbeiratskollege Roland Petri (CDU) bezeichnete es als „Leuchtturmprojekt“, welches weit über den Bezirk hinaus strahlen werde.

Mit der Entscheidung des Gemeinderats ist nun eigentlich alles perfekt. So sehen das die Bezirksbeiräte im Süden und auch Sieghard Kelle. Die jungen Stammgäste freuen sich auf das neue Haus, doch einige Bedenken haben sie: „Vielleicht sind wir für die Bibliothek zu laut“, befürchtet Berivan Görotas. „Bestimmt gibt es ab und zu Streit“, ergänzt Sofia Asmanidou lachend.