Die Dieselaffäre kann den Autobauern nichts anhaben. Die Konzerne verkaufen in Deutschland so viele Fahrzeuge wie zuletzt nach Einführung der Abwrackprämie. Allerdings steigen mehr Autofahrer auf Benziner um.

Berlin - Die Automobilindustrie fährt trotz Dieselskandal und Diskussionen über Fahrverbote neue Absatzrekorde ein. Der Pkw-Absatz in Deutschland werde mit 3,4 bis 3,5 Millionen verkauften Autos in diesem Jahr das höchste Niveau des Jahrzehnts erreichen, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), am Mittwoch in Berlin. Höhere Zahlen verzeichnete die Industrie zuletzt nach der Einführung der Abwrackprämie im Jahr 2009.

 

Der VDA rechnet in diesem Jahr mit einem Zuwachs in Deutschland von drei Prozent. Für das kommende Jahr prognostiziert der Verband 3,4 Millionen Neuzulassungen. Dies entspräche einem Rückgang von zwei Prozent. Angesichts der guten Geschäfte im laufenden Jahr sei eine Beruhigung aber normal, erklärte der VDA.

Gute Konjunktur treibt die Nachfrage

Wie schon im vergangenen Jahr zeigt sich erneut, dass sich die Autokäufer von Diskussionen um den Diesel wenig beeinflussen lassen. Entscheidend ist vielmehr die gute Wirtschaftslage. Die gute Beschäftigungssituation, steigende Einkommen und das niedrige Zinsniveau belebten die Nachfrage.

Allerdings geht der Dieselskandal nicht spurlos an der Branche vorüber. Der Anteil der Dieselfahrzeuge am Gesamtabsatz in Deutschland sank von rund 45 Prozent auf unter 40 Prozent. Während in anderen Industrieländern der Diesel-Anteil stabil bleibt, gehe er in Deutschland wegen der drohenden Fahrverbote zurück, so Wissmann. Er hofft, dass das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2018 Fahrverboten eine Absage erteilt und sich die Verunsicherung auflöst. Positiv bemerkbar macht sich für die Industrie die im Spätsommer eingeführte Umstiegsprämie der Hersteller. Seitdem die Unternehmen Dieselfahrern Anreize bieten, auf schadstoffarme Neufahrzeuge umzusteigen, zieht die Nachfrage an.

Positiv blickt die Industrie ins nächste Jahr. Weltweit werde sich 2018 die Pkw-Produktion der deutschen Hersteller um zwei Prozent auf 16,7 Millionen Wagen erhöhen. Die Inlandsproduktion bleibe mit 5,6 Millionen Pkw stabil. In den ausländischen Werken sollen 11,1 Millionen Fahrzeuge produziert werden, ein Plus von drei Prozent. Die gute Lage der Automobilindustrie zeigt sich auch bei der Beschäftigung. In den ersten neun Monaten 2017 haben deutsche Hersteller und Zulieferer 818 000 Mitarbeiter beschäftigt, das ist der höchste Stand seit 26 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr wurden mehr als 11 000 neue Stellen geschaffen.

Benziner und Diesel bleiben vorerst Hauptumsatzträger

Auch in den nächsten Jahren bleiben für die Industrie die herkömmlichen Antriebstechniken die Hauptumsatzträger. Der Verkauf von Elektrofahrzeugen verläuft schleppend und bleibt weit hinter den Zielen zurück. In den ersten elf Monaten des Jahres setzten die Autobauer in Deutschland 48 300 Elektroautos ab. Das ist gegenüber dem Zeitraum des Vorjahres zwar eine Verdoppelung. Allerdings bleibt der Anteil an der gesamten Neuwagenflotte gering. Der Anteil von Elektroautos stieg im November erstmals auf zwei Prozent aller Neuwagen. Der VDA-Präsident rechnet in den nächsten drei Jahren mit einem raschen Zuwachs. In den kommenden Jahren würden die Hersteller mehr als 100 elektrisch betriebene Modelle anbieten. Im Jahr 2025 sollen E-Autos 15 bis 25 Prozent an den Neuzulassungen ausmachen.

In der Debatte um die Luftqualität in Städten warnte Wissmann vor Hysterie. Die Luft in den Städten sei besser als je zuvor. Die verkehrsbedingten Stickoxidemissionen seien von 1990 bis 2015 laut Umweltbundesamt um 70 Prozent zurückgegangen. Schon wenige Meter neben den Messstationen seien die Stickoxidwerte um die Hälfte niedriger, meinte Wissmann. Die Industrie lehnt Fahrverbote ab und will die Schadstoffbelastung mit der Erneuerung der Flotten und Software-Updates verringern. Sie beteiligt sich am Mobilitätsfonds von insgesamt einer Milliarde Euro. Mit dem Geld sollen Städte Angebote für umweltfreundliche Mobilität machen.

Die Autoindustrie verpflichtete sich, 250 Millionen Euro für den Fonds beizusteuern. Noch fehlt Geld. Die deutschen Hersteller seien bereit, die zugesagten Zahlungen in den Mobilitätsfonds zu leisten. „Wir stehen zu unserem Wort“, sagte Wissmann. Die drei Hersteller Daimler, VW und BMW wollen rund 160 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die ausländischen Autohersteller weigern sich aber – allein Ford scheint zur Zahlung bereit zu sein. Das ruft Kritik hervor. Wissmann sagte, alle Hersteller sollten sich gemäß ihrer Marktanteile beteiligen.