Am Wochenende eröffnet das private Carl-Schweizer-Museum in Murrhardt die neue stadtgeschichtliche Abteilung. Den Besuchern wird Geschichte in vielen Geschichten präsentiert, etwa die Episode vom Silberrausch.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Murrhardt - Wenn diese Türe erzählen könnte. Den Griff der Pforte hatten schon amerikanische Astronauten, ein Bundespräsident und viele andere Persönlichkeiten in der Hand . . .

 

Willkommen in der neuen stadtgeschichtlichen Abteilung des privaten Carl-Schweizer-Museums in Murrhardt. Die edle Holztüre gehörte früher zu dem legendären Murrhardter Gasthaus Sonne-Post, das längst abgebrochen worden ist. Christian Schweizer und sein Vater Rolf – die Nachfahren des Museumsgründers – haben das gute Stück gerettet und jetzt in das Gebäude integriert.

In der Sonne-Post, erzählt Christian Schweizer jetzt bei einem vorab-Rundgang durch die neue Ausstellung, sei Geschichte geschrieben worden. In dem Gebäude hatte kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Frühsommer 1945 die sogenannte Landrätekonferenz stattgefunden. Diese ist als erster Schritt in Richtung einer Demokratie nach der Nazi-Herrschaft in die Geschichte des Landes eingegangen.

Geschichte und Geschichten

Hinter der Sonne-Post-Türe wird in der neuen Abteilung des Museums Geschichte in Geschichten erzählt – von 1650 bis 1950. Es geht zum Beispiel um den legendären Silberrausch in Murrhardt und im Schwäbischen Wald gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Damals wurden arglose Kleininvestoren hereingelegt. Stollen wurden zwar gegraben, doch Edelmetall fand man nicht.

Zu den Geprellten gehörte auch ein gewisser Johann Kaspar Schiller. Sein berühmter Sohn Friedrich setzte dem ganzen Fiasko ein literarisches Denkmal. In seinem Drama „Die Räuber“ nannte er den Anführer Spiegelberg, in Anspielung auf das Murrhardter Nachbarörtchen Spiegelberg. Gezeigt werden in der Ausstellung unter anderem ein alter Schmelztiegel und eine Feinwaage, Utensilien, die an den Silberrausch von anno dazumal erinnern – und an den Kater bei den Anlegern danach.

Ein paar Schritte weiter: in einer der Vitrinen wird die Geschichte von Auswanderern lebendig, die Mitte des 19. Jahrhunderts aus Murrhardt nach Palästina gezogen sind und dort zusammen mit anderen Christen aus Deutschland den Ort Sarona gegründet haben. Dieses Sarona ist heute ein angesagtes Viertel der israelischen Mittelmeer-Metropole Tel Aviv. In Sarona gibt es schicke Boutiquen und Galerien, populäre Restaurants und Bars – aber schon länger keine Pietisten aus Schwaben mehr.

„Gesamtbild“ des Raums Murrhardt

Die Schweizers erinnern in der neuen Museumsabteilung auch an den Murrhardter Tüftler Erich Schumm, der während der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt habe, so Christian Schweizer. Schumm wurde mit einer Erfindung weit über die Grenze der Stadt bekannt: mit dem Trockenbrennstoff Esbit. Was kaum jemand außerhalb der Stadt Murrhardt weiß: Esbit ist eine Abkürzung und steht für Erich Schumm Brennstoff in Tablettenform.

Die jetzt erstmals und fortan dauerhaft ausgestellten Gebrauchsgegenstände und Dokumente hätten seit Jahrzehnten auf dem Dachboden des Museums geschlummert, erzählt Christian Schweizer. Mit der neuen Abteilung sei das Mehrspartenhaus nun komplett. Die Besucher bekämen durch sie ein „Gesamtbild“ des Raums Murrhardt, und zwar von der Steinzeit bis in die Neuzeit.

Schweizer-Museum künftig auch im Winter geöffnet

Umbau
Der Umbau und die Sanierung des Schweizer-Museums haben laut Auskunft der Familie Schweizer rund 360 000 Euro gekostet. Die Betreiber warten nach wie vor auf den zugesagten Zuschuss aus dem „Leader“-Programm in Höhe von etwa 120 000 Euro. Die neue Abteilung ist am Sonntag, 4. Oktober, erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich.

Besucher
Das Museum zählte früher oft rund 10 000 Besucher per anno. Im Vorjahr waren es nur noch etwa 7500 – und in diesem Corona-Jahr dürften es lediglich rund 4000 werden, sagt der Museumsleiter Christian Schweizer. Künftig bleibe das Murrhardter Museum aber auch im Winter geöffnet, was die Zahl der Gäste in die Höhe treiben soll.

Kritik
Christian Schweizer kritisiert den Kunstsammler Reinhold Würth, weil dieser vorschlägt, dass die Museen freien Eintritt gewähren sollten. Diese Forderung sei „schädlich“. Ohne Eintrittsgelder hätte der Museumsumbau niemals finanziert werden können. Weitere Informationen findet man hier.