In der neuen ARD-Serie „Die Heiland - Wir sind Anwalt“ spielt Lisa Martinek eine blinde Juristin und Anna Fischer deren Sehhilfe. Das Ganze ist aber nicht nur der schön gezeichenten Hauptfiguren wegen interessant.

Berlin - Fernsehkommissare bekommen es fast immer mit Mord zu tun. Ärzte und Anwälte werden in Serien dagegen mit ständig neuen Herausforderungen konfrontiert. Und gerade die Hauptfiguren von Anwaltsserien können durchaus unkonventionell sein. Im Frühjahr hat die ARD mit Fritz Karl als „Falk“ einen extravaganten Juristen ins Quotenrennen geschickt, nun folgt mit Romy Heiland das exakte Gegenstück.

 

Deutlichstes Differenzierungsmerkmal zwischen den beiden Serienfiguren ist das Sehvermögen: Die Berliner Anwältin (Lisa Martinek) hat sich mit eigener Kanzlei selbstständig gemacht. Weil sie blind ist, braucht sie jemanden, der ihr die Augen ersetzt: Akten sichten, zu Terminen begleiten, vor Hindernissen warnen etcetera; im Grunde also einen Blindenhund, der lesen und Kaffee machen kann. Weil die Serie aber auch ein Vergnügen sein soll, ist Romys neue Assistentin Ada eine typische Anna-Fischer-Rolle: kesse Berliner Göre mit vorlauter Klappe und niedriger Empörungsschwelle, weshalb sie sich gern mal zu unpassender Zeit lautstark einmischt.

Dezent und gleichberechtigt

Lisa Martinek verkörpert ihre Figur sehr behutsam. Ihre Mimik ist ähnlich dezent wie Romys Make-up; hin und wieder neigt sie leicht den Kopf, wenn die Anwältin besonders konzentriert zuhört. Dafür sind ihre Hände umso agiler, was nicht zu übersehen ist; deshalb ist es völlig überflüssig, wenn die Regie (Christoph Schnee, Bruno Grass) sie in Nahaufnahme zeigt.

Die ernste Hauptfigur ist schon mal interessant, und Anna Fischer sorgt mit Herz und Schnauze dafür, dass es in den Geschichten auch kräftig menschelt, ohne deshalb – wie ihr Pendant in der RTL-Serie „Jenny – echt gerecht“ – zur Comedy-Figur zu werden. Anders als dort sind Romy und Ada, wie der Titelzusatz „Wir sind Anwalt“ nahelegt, gleichberechtigte Rollen. Die Geschichten, die sich das von Jana Burbach angeführte sechsköpfige Autorenteam ausgedacht hat, fallen zwar weniger aus dem Rahmen als die beiden Frauen, sind aber interessant, zumal die Fälle gern eine unerwartete Wendung nehmen.

Romantik im Spiel

In der Auftaktfolge wird Romys früherer Juraprofessor (Peter Davor) von einer Studentin (Sinja Dieks) beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Tatsächlich stellt sich heraus, dass die beiden eine Affäre hatten; doch die Hintergründe sind komplizierter.

Damit auch ein wenig Romantik ins Spiel kommt, funkt es zwischen Ada und Romys Nachfolger in Bens Kanzlei (Christoph Letkowski). Viel spannender ist jedoch die Titelheldin und wie sie die Welt sieht; tatsächlich hat sie noch ein Prozent Sehkraft, weshalb es zwischendurch kurze diffuse Schwarzweißeinschübe gibt. Burbach und Martinek gestehen Heiland bei aller Souveränität durchaus aus andere Seiten zu: Als Ada sie bei einer Party in Bens umgebauter Kanzlei allein lässt, ist sie für einen kurzen Moment völlig verloren und schnauzt ihre Assistentin an.

Reales Vorbild

Vorbild für die Anwältin ist die Berliner Strafverteidigerin Pamela Pabst, mit der Martinek viel Zeit verbracht hat. Die Juristin hat ihre Erlebnisse in einem Buch beschrieben („Ich sehe das, was ihr nicht seht“) und sagt von sich, sie habe „einen anderen Blick auf die Welt“, weil sie sich nicht von den optischen Dingen ablenken lasse. Und dann gibt es noch ein sympathisches Detail am Rande: Zwanzig Jahre nach dem Ende des von Jurek Becker entworfenen SFB-Klassikers „Liebling Kreuzberg“ bringt der aus der Fusion von SFB und ORB hervorgegangene RBB wieder eine Anwaltsserie ins „Erste“.

Ausstrahlung: ARD, ab 04. September 2018 jeweils am Dienstag, 20.15 Uhr