Harald Krassnitzer spielt in der neuen Serie „Paul Kemp“ einen professionellen Streitschlichter. Allerdings hat der Mediator seine privaten Probleme selber nicht im Griff.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Harald Krassnitzer hat schon einige Serienhelden gespielt. Schon 1997 war er der österreichische „Bergdoktor“, dann im Ersten der „Winzerkönig“; und seit 1999 ist er der Wiener „Tatort“-Kommissar Moritz Eisner. Von heute an mimt er in dreizehn Folgen in der neuen Dienstagsserie „Paul Kemp – Alles kein Problem“ einen Mediator. Was klingt wie ein unangenehmes medizinisches Gerät, ist eine Profession, die es noch nicht so lange gibt, sondern erst in der modernen Konsens- und Konfliktlösungs-Gesellschaft entstanden ist.

 

Denn ein Mediator ist einer, der sich vermittelnd dazwischenstellt, wenn zwei Parteien miteinander im Clinch liegen, der zurate gezogen wird, um Frieden herzustellen, einen Weg zu bahnen, auf dem sich die Streithähne aufeinander zubewegen können, ob dies nun Nachbarn, Eheleute, Eltern und ihre Kinder, Geschäftspartner oder Schüler sind.

Im ORF lief die Serie bereits mit großem Erfolg

In der Serie, die im ORF laut dem ARD-Programmdirektor Volker Herres schon „mit großem Erfolg“ gelaufen ist, trägt dieser Paul Kemp als Markenzeichen einen beigen Anzug aus Cord, wohnt mit seiner Frau Ella (Katja Weitzenböck) und dem 15-jährigen Sohn Tim (Pascal Giefing) in einem Glas-Öko-Haus und betreibt in Wien mit seinem Kompagnon Mark Braun (Alexander Lutz) eine Mediationspraxis, in der ihm zudem die esoterisch angehauchte Büroperle Brigitte Mitlehner (Michou Friesz) zur Seite steht.

Und dieser Mediator Paul Kemp ist mit all den Charakterzügen ausgestattet, die der Schauspieler Krassnitzer in vielen seiner Rollen an den Tag legt und die er schon von Haus aus mitzubringen scheint: Er ist tolerant, nach vorn gerichtet, experimentierfreudig, ein echter Anti-Spießer, einer, der immer ein bisschen über den Dingen steht – durch und durch unkonventionell also, und dabei ganz schön knitz, leise verschlagen und offensiv charmant. So gelingt es ihm, seine Jobs, die allesamt auf authentischen Fällen beruhen, mit Kreativität, Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl zu erledigen und die zwischenmenschlichen Disharmonien zu glätten.

„Wenn’s einen selber betrifft, ist alles viel schwieriger!“

In seinem ersten Fall etwa bekommt er es mit einem Anästhesisten zu tun, der seit fünf Jahren zwei Frauen, zwei Kinder, zwei Haushalte hat und konsequenterweise auf dem Zahnfleisch daherkommt. Als er Kemp um Hilfe bittet, kommt der Menschenkenner schnell dahinter, warum diese doch wenig alltagstaugliche Beziehungssituation so stabil ist – und kann mit einem simplen psychologischen Trick eine überraschende Klärung herbeiführen.

So viel Licht im Beruf, so viel Schatten im Privaten: denn um der Figur Spannung zu verleihen, haben die Drehbuchautoren Uli Brée und Klaus Pieber der hohen beruflichen Kompetenz Kemps ein dickes persönliches Defizit gegenübergestellt. Denn wenn es um die eigenen Probleme geht, sieht der gewandte Streitschlichter oft ganz schön alt aus. „Wenn’s einen selber betrifft, ist alles viel schwieriger!“

Ein folgenschwerer One-Night-Stand

Und diese Fallhöhe wird kräftig genutzt – für sein privates Umfeld haben die Autoren ein paar knifflige Konstellationen konstruiert: Ehefrau Ella fühlt sich von ihrem Mann vernachlässigt und hat ein Verhältnis mit dem Nachbarn angefangen. Dann gibt es noch einen Bruderzwist, denn zwischen Paul und Luis (Johannes Zeiler) herrscht seit 15 Jahren Funkstille, weil beide die gleiche Frau begehrten: Ella. Im weiteren Verlauf der Serie kommen ein folgenschwerer One-Night-Stand, eine unverhoffte Schwangerschaft und Turbulenzen in der Mediationspraxis hinzu.

Der Regisseur Harald Sicheritz, der die ersten sechs Folgen verantwortet, inszeniert mit leichter Hand, die Dialoge sind oft lakonisch und dennoch lebensecht, und Krassnitzers Spiel verleiht dem Ganzen eine Ungezwungenheit und Natürlichkeit, mit der sich „Paul Kemp“ von der Vorgängerserie „Um Himmels Willen“ wohltuend abhebt. Der Dienstagabend ist kein verlorener Fernsehabend mehr – endlich!