Für die neue Bahnstrecke nach Ulm müssen über Neckar und Fils kühne Brücken geschlagen werden. Mal erschwert der komplexe Untergrund die Arbeiten, mal der kaum vorhandene Platz an den Baustellen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart/Mühlhaus im Täle - Das „Sorgenkind“ des Projekts ist die Filstalbrücke bei Mühlhausen im Täle (Kreis Göppingen). Das hat zumindest Manfred Leger vor Kurzem zu Protokoll gegeben. Er muss es wissen. Der 65-jährige Wirtschaftsingenieur ist Chef der Gesellschaft, die Stuttgart 21 und die Schnellfahrstrecke zwischen Wendlingen (Kreis Esslingen) und Ulm baut. An letzterer liegt das Sorgenkind, das dieser Tage wieder gewachsen ist – und zwar 50 Meter auf einen Schlag. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten – ein Teil des Widerlagers wurde umgeplant, in der Gegend machte schon das Gerücht vom Baustopp die Runde – geht es nun hoch über dem Filstal voran. „Anfang des Jahres 2020 erreichen wir die andere Talseite“, sagt Igor Zaidman. Der Bauingenieur ist für die beiden 85 Meter hohen Brücken verantwortlich, die eingeklemmt zwischen zwei kilometerlangen Tunneln liegen.

 

Der Beton kommt per Pumpe

Beim Besuch am vergangenen Montag steht die nächste Etappe bei dem kühnen Brückenbauwerk an. In schwindelerregender Höhe über dem Filstal läuft Beton in die dafür vorgesehene Schalung. Weil der Weg auf die Baustelle, der eigens in den Hang gegraben worden ist, für die schweren Betonmischer viel zu steil ist, kippen die Lastwagen ihre zäh fließende Last am Fuß eines der Brückenpfeiler in eine Pumpe, die den Baustoff vertikal an die Stelle bringt, an der er eingebaut wird. Das Besondere daran: Das Baugerüst, in dessen Schutz das alles passiert, wandert sukzessive mit über das Tal. Alle sieben Wochen soll so ein 50 Meter langer Abschnitt entstehen, nach zehn Wiederholungen der Osthang des Filstals erreicht sein. Gut 500 Kubikmeter Beton werden pro Brückenabschnitt verarbeitet.

Die Querung des Filstals passiert auf zwei parallel liegenden Brücken, auf denen je ein Gleis liegen wird. Den Abstand von 30 Metern zwischen den Brücken geben die Tunnel vor, die beidseits der Talquerung liegen. Eine einzelne Brücke wäre schlicht zu breit geworden. „Das ist eine sehr komplexe Planung“, sagt Igor Zaidman.

Nächste Bauetappe an der Neckarbrücke in Bad Cannstatt

Eine Einschätzung, die sein Kollege Daniel Wäschenbach teilt. Der 39-Jährige verantwortet den Bau der neuen Neckarbrücke in Bad Cannstatt, die nach Entwürfen des Stuttgarter Büros Schlaich, Bergermann Partner entsteht. Anders als im Filstal ist die Neckarbrücke am Ufer zusammengesetzt und dann Stück für Stück über den Fluss geschoben worden. Mittlerweile befindet sich das 345 Meter lange Bauteil an seiner Endposition. Am vergangenen Wochenende wurde der erste, 27 Meter lange Abschnitt der Bodenplatte betoniert. Weil der dafür notwendige Maschinenpark während des knapp acht Stunden dauernden Einsatzes auf der Schönestraße parkt, ist das Betonieren nur an Wochenenden möglich, wenn etwas weniger Verkehr fließt. Heimspielwochenenden des VfB Stuttgart etwa scheiden aus. Von der Brückenbaustelle aus bietet sich ein ungewöhnlicher Blick auf die benachbarte Eisenbahnbrücke, über die jene S-Bahnen und Fernzüge rollen, die von 2025 an ihren Weg über die neue viergleisige Brücke nehmen sollen. Was aus dem alten Bauwerk wird, ist weiterhin ungeklärt.

Sorge ums Mineralwasser

Mit dem Bau der neuen Brücke waren viele Befürchtungen verbunden, nicht zuletzt jene , das Mineralwasservorkommen könne in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Pfeiler, auf denen die Brücke ruht, kommen mit ihren Gründungen tatsächlich den Mineralwasser führenden Schichten nahe. Diese Arbeiten sind aber abgeschlossen. Folgen für das kostbare Nass aus dem Untergrund sind seither keine bekannt geworden.

Dass bislang beim Bahnprojekt Stuttgart–Ulm die Tunnelbauer im Fokus standen, ficht den Brückenbauer Daniel Wäschenbach nicht an. „Die Tunnel wird man später einmal nicht mehr sehen. Das ist ja auch deren Zweck. Die Brücken aber bleiben im Stadtbild sichtbar.“