Geschäftsführerin Arina Freitag hat in den ersten 100 Tagen einiges angestoßen: Easyjet steigt wohl in die Berlin-Flüge ein – und es soll mehr Steckdosen für die Passagiere geben.

Stuttgart - Die Zeit verging wie im Flug. Am vergangenen Mittwoch war für Arina Freitag der 100. Tag als Flughafengeschäftsführerin. Tags darauf zog sie mit Familie und zwei Katern ins neue Domizil in Heumaden. Damit ist sie privat angekommen – wie zuvor schon im Job.

 

Sie hat so eine Art fliegenden Start hingelegt am 1. September. Das Ende von Air Berlin, lange Zeit die Nummer 2 unter den Fluggesellschaften in Stuttgart, war absehbar. Rasch habe die Führung daher zusammengearbeitet, sagt Arina Freitag (46). Während ihrer ersten Wochen flog sie nach England, um in Verhandlungen den englischen Billigflieger Easyjet zu beflügeln, ein Stück weit die entstandene Lücke zu schließen. Das Ergebnis wertet sie als Erfolg: Wenn die EU grünes Licht gibt, sei man ab Mitte Januar bei Berlin-Flügen durch Eurowings und Easyjet sehr gut aufgestellt.

Arina Freitag hat auch schon ein paar andere Spuren hinterlassen. Eher intern, denn tritt man draußen in offizieller Mission auf, sind die Rollen zwischen ihr und Co-Geschäftsführer Walter Schoefer klar verteilt. Er vertritt das Unternehmen. Schoefer, so hört man in Firmenkreisen, schwebe im siebten Himmel, weil er vom Aufsichtsrat zeitgleich mit Freitags Wahl zum Sprecher der Geschäftsführung befördert wurde. Das dürfte sich für ihn wie ein später Sieg über Freitags Vorgänger Georg Fundel anfühlen, der ohne die Sprecherfunktion in den Ruhestand ging, aber Platzhirsch gewesen war. Bisweilen gab es in den gemeinsamen 18 Jahren Gerangel.

Kompagnon gilt als Platzhirsch

Die neuen Partner sind ähnlich ungleich, jedoch ist jetzt Schoefer der Platzhirsch. Die promovierte Volkswirtin ist aber ziemlich fix und hat so viele einschlägige Erfahrungen ins Cockpit der Flughafen Stuttgart GmbH mitgebracht wie niemand zuvor. Zuletzt war sie bei der DB Netz AG zuständig für Marketing und Vertrieb, davor 14 Jahre lang beim Flughafen Frankfurt unter anderem für die Entgeltpolitik gegenüber 130 Airlines, für die Ausschaltung von Schwachstellen im Tagesbetrieb und für die Standortpflege gegenüber der Politik. In Stuttgart hat sie von Fundel den klassischen Verkehrsbereich und die Finanzen samt Controlling übernommen – und damit Kernbereiche.

Schon gibt es Stimmen, dass die „taffe Macherin“ der Firma gut tue. Dass sie eifrig Netzwerke knüpfe. Sie arbeitet schon lang in einem Managerinnen-Netzwerk mit. Da hat sie auch etwas vom Rüstzeug erworben, um sich in der Männerwelt zu bewähren. Das kann nur helfen, denn Schoefer und manche Abteilungsleiter täten sich etwas schwer mit einer Frau an ihrer Seite, munkelt man. In der Richtung und in den Zielen, hebt dagegen Freitag lobend hervor, sei sie sich mit Schoefer einig. Über die genaue Wegstrecke könne man doch reden.

Nach ihrem Antritt hat sie zügig ihren Kurs abgesteckt. Stuttgart könne zwar um Langstreckenflüge kämpfen, sagt sie, aber fokussiert ist sie auf das Europageschäft. Dieser Flughafen sei „sehr gut aufgestellt“: mit kurzen Wegen für Passagiere, vorbildlichem Gepäckhandling, pünktlicher Flugabwicklung. Von hier zu fliegen, begreife der Reisende als „vernünftig. Die emotionale Beziehung möchte sie stärken, den Flughafen nachhaltiger, lokaler und auch digitaler machen. Das heißt: mehr Ökoanstrich, mehr regionale Produkte in der Gastronomie („nicht nur Maultaschen“), sondern auch mehr Zeugnisse der regionalen Hochtechnologie. Den „local spirit“ stärken, sagt sie. Mit den Mitarbeitern will sie dafür ein Programm schmieden und binnen drei, vier Jahren umsetzen. Dazu gehören auch Steckdosen. Den Zustand, dass Reisende bisweilen heimlich Getränkekühlgeräte ausstecken, um ihre Laptops und Handys aufladen zu können, will man rasch beenden.

Wandel in der Chefetage

Dieser neue Blick auf die Terminals veranschaulicht bisher vielleicht am ehesten den Wandel auf der Chefetage. Fundel und Schoefer haben bisher vor allem die Fluggesellschaften als Kunden betrachtet. Die Neue will den Fokus auf die Passagiere als Kunden stärken.

Sprechfähig ist Freitag in allen Fragen. Sie spricht so gern wie Schoefer, nur dass sie nach außen nicht die Sprecherin ist. Beim Thema S 21 und dem drohenden Kurswechsel der Bahn beim Airport-Halt aber wird sie einsilbig. Am 1. September war der Großteil von den 339 Millionen Euro Flughafengeldern für einen hochkarätigen Bahnanschluss auch längst bezahlt. Die Frage, was man dafür bekommt, wird vor allem für Schoefer zum Prüfstein.