Nach österreichischem Vorbild wollen Stadträte an öffentlichen Plätzen in Stuttgart Klaviere aufstellen, die alle nutzen können. Auf das Können kommt’s dabei nicht an, sondern auf die Wirkung.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Das ist mal eine wohlklingende Idee! Im öffentlichen Raum in Stuttgart sollen Klaviere aufgestellt werden, auf denen Bürgerinnen und Bürger nach Herzenslust klimpern können. Der Vorschlag, solche sogenannten Open Pianos anzubieten, kommt aus dem Gemeinderat: Die Fraktion aus Linke, SÖS, Piraten und Tierschutzpartei hat die Stadtverwaltung in einem Antrag aufgefordert, „ein Konzept zur Etablierung von Open Pianos an verschiedenen Stellen in Stuttgart zu erstellen“.

 

Hilft Klavierspielen Jungen dabei, ihren Platz zu finden?

Zur Begründung erklärt das Bündnis: „Musik verbindet und bringt Menschen mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen, geografischen und kulturellen Hintergründen zusammen.“ Sie trage zu Integration und Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft bei. Gerade auch Jüngere sollen damit angesprochen werden: „Nach der Stuttgarter Krawallnacht werden Wege gesucht, um junge Menschen mit niederschwelligen Angeboten zu unterstützen, ihren Platz in der Stadtgesellschaft zu finden“, heißt es in dem Antrag. Die Open Pianos könnten ein solcher Weg sein, denn: „Das Kulturprojekt besticht durch seinen sozialen Mehrwert.“ Es trage zu gegenseitiger Wertschätzung bei.

Bürger könnten Patenschaften für die Klaviere übernehmen

Die Antragsteller haben auch schon einen ungefähren Plan: Zunächst solle die Stadt geeignete Plätze identifizieren. Denkbar seien etwa Stadtbahnhaltestellen, das Gerber, die Königsbau-Passagen, der Palast der Republik, der Unipark, das Gelände der Uni Vaihingen, der Schlossgarten beim Eckensee, der Schlossplatz, der Mailänder Platz im Europaviertel oder der Hauptbahnhof. Natürlich kämen auch Standorte außerhalb der City in Frage.

Auf jeden Fall will man erstmal klein anfangen – „mit einem oder zwei Klavieren und schauen, wie es läuft und angenommen wird“, meint Stadträtin Guntrun Müller-Enßlin. „So ein Anfang müsste nicht teuer sein – je nach Standort im Freien oder unter Dach, und ob man sich für neue oder gebrauchte Klaviere entscheidet“, sagt sie. Bürger könnten dafür Patenschaften übernehmen. Mit einem Klavierbauer ist man im Gespräch. Die Expertise wird gebraucht – auch damit sichergestellt ist, dass es nicht an den Instrumenten liegt, wenn’s schräg klingt.

Die Idee stammt ursprünglich aus Wien

Wie das Ganze praktisch funktioniert, kann man sich in einigen Städten anschauen und anhören. Das von einer Musikschule in Wien initiierte Projekt „Open Piano for Refugees“ hat in 35 Städten in sechs Ländern Open Pianos aufgestellt – nach eigenen Angaben hochwertige, frei zugängliche Klavierflügel, die von allen benutzt werden dürfen. „Unser Ziel ist es, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammenzubringen“, heißt es auf der Webseite des Vereins. Musikinstrumente seien „Integrationsinstrumente“, die Orte der Begegnung schaffen. Außerdem organisiert der Verein eine soziale Musikschule in Wien, die Chancengleichheit durch musikalische Bildung fördert. Ein Projekt mit Vorbildcharakter.

Weitere Infos zu dem Verein unter: https://openpianoforrefugees.com/