Immer mehr Bauernhöfe setzen bei der Direktvermarktung auf Automaten. Auch im Lockdown lohnt sich das.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Böblingen - Hartmut Binder ist mehr als zufrieden mit der Entscheidung, die er vor gut eineinhalb Jahren getroffen hat. „Der Regiomat war die Lösung für zwei große Probleme und hat unsere Erwartungen übertroffen“, sagt der Biolandbauer aus Weil im Schönbuch. Die Binders haben neben dem Hofladen einen Automaten im Einsatz, den sie täglich mit frischer Ware befüllen. Bei Binders steht der Automat, Regiomat ist der Markenname, geschützt vor Wind und Regen oder Schnee unter einem großen Holzdach. Die beiden Probleme, die der Automat bei den Binders gelöst hat: Da der Hofladen immer wieder längere Zeit nicht geöffnet sein kann – zum Beispiel wenn Hartmut Binders 120 Ziegen Mitte bis Ende Februar rund 200 Lämmchen auf die Welt bringen – hat er dennoch Gelegenheit, seine Ware direkt zu verkaufen.

 

Ein echtes Ärgernis wurde durch den Regiomaten auch abgestellt: „Wir hatten davor ein Kässle aufgestellt, in das man auf Vertrauensbasis bezahlt hat. Aber da fehlten uns an manchen Tagen 50 Prozent der kalkulierten Einnahmen.“ Und das bestätigen viele der fast 70 Bauern mit Direktvertrieb im Kreis Böblingen.

„Mein Geld für meine Ware“

„Wir haben den Regiomaten letztlich wegen der Unbelehrbarkeit der Kundschaft angeschafft“, sagt Johannes Walker, der in Waldenbuch in seinem Betrieb Eier, Geflügel, Nudeln, Hausmacher Dosenwurst, Schweine- und Damwildfleisch, Honig, Mehl und Bauernbrot anbietet. Für ihn war ein weiteres Argument die starke Ausrichtung auf Wochenmärkte seines Betriebes: Wenn er unterwegs ist, kann er nicht auch noch zu Hause die Kunden bedienen. Bei Familie Gommel im Leonberger Stadtteil Warmbronn steht zusätzlich zum Regiomaten noch ein Milchautomat, aus der sich die Verbraucher frische Rohmilch zapfen können – schon seit mehr als zehn Jahren vermarkten die Gommels ihre Milch auch auf diese Weise. Susanne Gommel ist sehr zufrieden mit dem Verkaufsautomaten – aus denselben Gründen, wie viele ihrer Kollegen: „Ich bekomme mein Geld für meine Ware“, sagt sie.

Rund 20 Standorte der Automaten gibt es allein im Kreis Böblingen. Und es werden immer mehr, wie Patrizia Büttner, die Geschäftsführerin des Kreisbauernverbands Böblingen, Calw und Freudenstadt bestätigt. „Für die Landwirte ist so ein Automat Verkaufsplatz und Imagepflege in einem.“ Es sei ein neuer Ansatz, um mit den Verbrauchern in Kontakt zu kommen, was in der Landwirtschaft immer wichtiger werde.

Die Kunden wollen frisch, regional, direkt einkaufen

Beim Hersteller der Regiomaten, der Firma Stüwer, spricht man gar von einem Boom. 2005 wurde der erste Automat aufgestellt. „Damals wurden wir eher belächelt“, sagt Adrian Ott von der Marketingabteilung des Mittelständlers aus Heroldstatt im Alb-Donau-Kreis. Bis zum Jahr 2005 hat Stüwer etwa 500 Regiomaten in Deutschland verkauft. Zwischen 2015 und 2020 dann fast 4000.

„Unsere Hauptkunden sind die Direktvermarkter. Deren Kundschaft will es frisch, direkt und regional. Durch das veränderte Essverhalten der Verbraucher ist das ein echter Trend geworden“, sagt Ott. Immer mehr Menschen seien bereit, mehr Geld zu bezahlen, wenn die Qualität stimme. Und für die Bauern sei es eine sichere Einnahmequelle ohne Personalkosten.

Dadurch dass die Automaten auch verschiedenen Kühlungen ermöglichen, sind der Befüllung im Prinzip keine Grenzen gesetzt: Eine junge Gemüsebäurin sei sehr erfolgreich mit Salaten, die sie samt Dressings anbiete, es gibt aber auch Exotischeres: „In einem Betrieb füllt die Oma des Hauses den Regiomaten mit selbst gebackenen Kuchen im Glas,“ berichtet Ott. Die Renner: Eier und im Sommer Grillfleisch und Bauernhofeis.

Auch Gastronomen nutzen die Automaten

Seit dem Beginn der Pandemie laufen die Geschäfte bei Stüwer sogar noch besser. Man kann nicht nur kontaktlos einkaufen. „Viele Verbraucher meiden die vollen Supermärkte“, sagt die Geschäftsführerin des Kreisbauernverbands. Und ganz neu: Gastronomen nutzen die Automaten. Adrian Ott: „Die kochen ihr Essen frisch, füllen es in Gläser ab, und wer entweder zur Arbeit fährt oder im Homeoffice nicht kochen kann oder will, holt sich das fertige, frisch gekochte Gericht einfach ab.“

Auch in der Nahversorgung spielen die Verkaufsautomaten eine Rolle, wie etwa im kleinen Neuweiler, das zu Weil im Schönbuch gehört und keinen Laden mehr im Ort hat. Seit August betreibt der Chef des Breitenauer Lädles, Steve Dähring, zwei Regiomaten, die den täglichen Bedarf abdecken: Eier, Milch, Butter, Käse, Wurst, aber auch Süßes und Kondome gibt es. In den ersten Wochen lief das Geschäft extrem gut, im Moment fällt Dährings Bilanz durchwachsen aus: „Ich meine, dass die Leute im Lockdown eher seltener einkaufen und dazu eher einen Großeinkauf in einem Supermarkt machen.“ Das heißt: schnell mal eben Butter holen, das komme kaum vor. Die abendliche Ausgangssperre und der Winter hielten die Verbraucher auch davon ab, noch mal raus zu gehen. Aber noch sei er nicht unzufrieden. Dähring: „Im Sommer können wir eher Bilanz ziehen.“

Ausflugsziel im Lockdown

Bei den Binders wirkt sich der Lockdown positiv auf den Verkauf via Regiomat aus. „Da wir außerhalb liegen, nutzen viele Familien mit Kindern den Weg, um aus den vier Wänden zu kommen“, sagt Hartmut Binder. Das Notwendige wird mit dem Nützlichen verbunden: Eier holen, sich bewegen und den Nachwuchs bei Laune halten. 15 Minuten Ziegengucken erfüllt aber auch Erwachsene mit Freude.