Der Hochwachturm der Markgröninger Bartholomäuskirche war seit einem frevelhaften Diebstahl der Nazis verwaist. Jetzt wird dort wieder eine Glocke aufgehängt. Der Klangkörper soll auch geräuschempfindliche Ohren erfreuen.

Markgröningen - Rund 85 Kilogramm schwer, 50 Zentimeter breit und 46 Zentimeter hoch ist die neue Glocke aus Kupfer und Zink, die an diesem Donnerstag im Turm der evangelischen Bartholomäuskirche aufgehängt werden soll. Die letzte Glocke, die 300 Jahre auf dem sogenannten Hochwachturm thronte, war eine Feueralarmglocke, die bei Alarm angeschlagen wurde. 1942 wurde die Glocke von den Nationalsozialisten abgehängt. „Aus purer Schikane“, vermutet Pfarrer Traugott Plieninger.

 

Nach 75 Jahren hängt nun aber wieder eine Glocke im Turm – gestiftet vom Förderverein der Bartholomäuskirche, der damit sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Anders als ihre Vorgängerin soll die Glocke jedoch nicht bei Alarm, sondern bei besonderen Anlässen erklingen. „Offiziell wird die neue Glocke wohl zum ersten Mal beim Schäferlauf läuten“, sagt Pfarrer Plieninger. Vermutlich, wenn der Festumzug am Samstag an der Kirche ankommt, so die Vorstellung des Pfarrers.

Eine Glocke für besondere Anlässe

Außerdem soll die neue Glocke beim Altstadtfest, am Volkstrauertag und bei besonderen Anlässen, wie zum Tod eines verdienten Markgröniger Bürgers zu hören sein. „Für weitere Wünsche und Vorschläge, wann die neue Glocke läuten soll, sind wir offen“, sagt der Pfarrer. Zu oft dürfte das jedoch nicht sein. Aufgrund der Statik des Turms müsse man vorsichtig sein, erklärt Plininger. Außerdem wolle man die Anwohner schonen, sagt Plieinger. „Wir wollen mit der Errichtung der neuen Glocke niemanden ärgern. Sie soll zur Versöhnung und Verständigung beitragen.“

Bei der Glockenweihe am Donnerstagabend in der Kirche erklärte der evangelische Pfarrer auch den Namen der Glocke: „Friede. Ökumene. Verständigung“, steht auf dem unteren Ende der Glocke. Die Kirchengemeinde will damit im Reformationsjahr 2017 ein Zeichen setzen für den Zusammenhalt der Religionen und die Kooperation der christlichen Kirchen. „Glocken sind ein Spiegel der Zeit“, sagt Plieninger.

Wunde aus dem Zweiten Weltkrieg wieder geschlossen

So zitiert die 1956 geweihte Taufglocke der Bartholomäuskirche den Psalm 126, ein Gebet für die Heimatvertriebenen. Die 1954 geweihte Kreuzglocke ist dem Gedenken der Kriegsgefangenen beider Weltkriege gewidmet. Und die erste Glocke der Kirche, von Graf Hartmann III von Grüningen 1272 gestiftet, enthielt die Namen der vier Evangelisten: Lukas, Markus, Matthäus und Johannes. Insgesamt sechs Glocken befinden sich jetzt wieder in der rund 700 Jahr alten Bartholomäuskirche in der Stadtmitte von Markgröningen. „Die Kirche ist jetzt wieder das, was sie einmal war“, sagt Plieninger. „Die Wunde aus dem Zweiten Weltkrieg ist wieder geschlossen.“

Dass der Hochwachturm wieder eine Glocke hat, ist schon von weitem sichtbar, denn sie hängt im Freien. „Vom Kirch- und Marktplatz sieht man jetzt wieder auf einen städtischen Turm mit Glocke“, sagt Erich Hofmann, der Vorsitzende des Fördervereins Bartholomäuskirche. Seit 2006 kümmert sich der Verein um die Erhaltung der Kirche aus dem 13. Jahrhundert. „Die Bartholomäuskirche ist eines der wichtigsten Kulturgüter unserer Stadt“, sagt Hofmann. „Diese Kirche und Kultur wollen wir erhalten.“ Daher habe der Verein in den letzten Jahren einiges erneuert, sagt Hofmann. Die Dächer seien repariert worden, die Kirchenuhren saniert und gereinigt worden, sagt Hofmann.

Die Größe ist ausschlaggebend für die Tonhöhe

Lange fehlte der Kirche jedoch eine Glocke auf dem städtischen Turm. In Zusammenarbeit mit der Stadt, dem Landratsamt und einem Sachverständigen für Glocken habe der Verein Tonhöhe, Glockenform und Größe bestimmt, sagt Hofmann.

„Die Größe der Glocke ist dabei ausschlaggebend für ihre Tonhöhe“, sagt Hofmann. Die verhältnismäßig kleine neue Glocke sei in ihrer Tonhöhe der Taufglocke ähnlich, sagt der Vereinsvorsitzende. „Mit einer Lärmbelästigung ist aber nicht zu rechnen“, sagt Hofmann. Für den Frieden und Versöhnung kann auch mit leiseren Tönen geläutet werden.