Nach der Eröffnung des neuen Rems-Murr-Klinikums in Winnenden berichten Patienten von Problemen in den Abläufen, langen Wartezeiten, Parkplatzwirrwar, freundlichem, aber auch ungehaltenem Personal.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Als Ulrich Graf an jenem Freitag zehn Minuten vor Dienstschluss auf der Arbeit umknickte, dachte er noch, „das wird schon wieder“. Die Schmerzen an seinem Fuß waren zwar nicht unerheblich, wahrscheinlich aber würde sich das Malheur mit etwas Ruhe und hochgelagertem Bein schon von selbst erledigen. Das war ein Trugschluss, die Schmerzen wurden schlimmer, der Fuß immer dicker, Graf befürchtete einen Bänderriss. Also rief er in der Notfallambulanz in Waiblingen an – zu seinem Glück, denn die verwies den Mann aus Hegnach mangels eines eigenen Röntgengeräts gleich weiter nach Winnenden ins neue Klinikum. Dort angekommen – Graf hatte sich von seiner Schwester fahren lassen – sei er allerdings nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden.

 

Fünfjährige Tochter eines Kollegen wartet schon länger

Zumindest nicht mit offenen Schranken: „Wir konnten mit dem Auto nicht zur Notfallaufnahme vorfahren“, sagt Graf. Auf mehrfaches Klingeln hin habe sich nichts, aber auch gar nichts gerührt. Er habe mehrere hundert Meter vom Parkplatz zur Anmeldung humpeln müssen. Dort habe man ihm gleich mitgeteilt, dass er mit mindestens drei Stunden Wartezeit rechnen müsse. Dass sich dies bewahrheiten würde, ahnte er spätestens, als er einen Kollegen traf, der die blau geschwollene Hand seiner fünfjährigen Tochter begutachten lassen wollte. Die beiden berichteten ihm, dass sie bereits seit 18.30 Uhr vergeblich auf einen Arzt warteten. Es ging gerade auf 21 Uhr zu.

Um 22.30 Uhr wurde Ulrich Graf schließlich geröntgt. In fünf Minuten sei das erledigt gewesen, sagt er. Zuvor habe er die behandelnde Ärztin gebeten, statt seiner zuerst das kleine Kind seines Kollegen dranzunehmen. Doch die Ärztin habe ihn gebeten, den Aufruf der Patienten bitteschön dem Fachpersonal zu überlassen.

Für Ulrich Graf freilich war der Krankenhausbesuch mit dem Röntgenbild noch nicht erledigt. Noch einmal zwei Stunden habe er warten müssen, um eine Diagnose gestellt zu bekommen. Um 0.45 Uhr habe er das Krankenhaus dann endlich verlassen können.

Die Geschichte von Peter Graf scheint kein Einzelfall zu sein. Mehrere Leser haben uns davon berichtet, dass zwischen dem Schein, der kurz nach der Eröffnung beim Pressetermin in verschiedenen ausgewählten Abteilungen der neuen Klinik suggeriert worden war, und der Wirklichkeit noch eine ordentliche Lücke klaffe. Insbesondere in der Notfallambulanz lief in den vergangenen Wochen offenkundig noch nicht alles rund. Aber auch in anderen Bereichen, etwa bei den Patientenessen, soll es Schwierigkeiten gegeben haben (siehe auch Interview mit Jürgen Winter).

Konflikte beim Parken mit der Stadt

Ein Defizit haben die Verantwortlichen indirekt bereits vor der Klinikeröffnung eingeräumt. Der Parkraum ist für das Großklinikum nicht ausreichend konzipiert und soll, wie berichtet, nachträglich erweitert werden. Bis das kürzlich vom Kreistag zähneknirschend genehmigte neue Parkhaus steht, vergeht freilich wohl noch mindestens ein Jahr. Derweil ist in Stoßzeiten der Konkurrenzkampf zwischen Mitarbeitern und Besuchern ausgebrochen. Erstere sind offenbar angehalten, sich möglichst weiter entfernte öffentliche Parkplätze zu suchen, um die angespannte Situation zu entzerren. Das wiederum ärgert aber beispielsweise die Stadt Winnenden als Betreiber des Wunnebads, dessen Parkraum bei gutem Wetter auch ohne zusätzliches Publikum knapp wird.

Es gibt freilich auch positive Stimmen. Gelobt werden in vielen Bereichen insbesondere das Personal und die medizinische Fachkompetenz. Und auch für Ulrich Graf hat es am Montag noch ein kleines Happy-end gegeben. Der im Brand- und Katastrophenschutz Tätige hatte sich für seinen Nachsorgetermin nach den Erfahrungen der langen Freitagnacht wohl schon einige Szenarien ausgemalt. Doch die stellten sich als unbegründet heraus: Nach nur einer halben Stunde sei alles erledigt gewesen.

„Der Betrieb muss sich bald einspielen“ – kommentiert Frank Rodenhausen

Winnenden - Ein Krankenhaus ist kein Betrieb für entbehrliche Luxusgüter, den man nach eigenem zeitlichen Belieben einrichten kann. Zumindest die medizinische Grundversorgung muss sofort, von der ersten Sekunde an, perfekt funktionieren. Dass dies der Fall war, hat sich gezeigt, noch bevor der erste Patient planmäßig von Waiblingen nach Winnenden transportiert worden war. Schon vor dem offiziellen Start hatte die Notfallaufnahme morgens ihren ersten Einsatz gemeistert, am Abend folgte die erste erfolgreiche Operation.

Doch es läuft noch nicht alles rund im neuen Krankenhaus. Das räumt der Klinikdirektor unumwunden ein. Mehrere Aufzüge laufen nicht, weil sie im Echtbetrieb erst noch feinjustiert werden müssen, bei der Essensausgabe passieren Pannen, weil Technik und Personal noch nicht aufeinander abgestimmt sind. Ein ungeahnter Patientenansturm in der Notaufnahme verursacht in der Urlaubszeit lange Wartezeiten. Alles ist irgendwie erklärlich. Und, Hand aufs Patientenherz: waren die Bedingungen an den Altstandorten in Backnang und Waiblingen etwa besser?

Dennoch sollte sich der Betrieb bald einspielen, denn weitere Negativschlagzeilen könnten diejenigen abschrecken, die nicht auf die Notaufnahme angewiesen sind. Diese Wahlpatienten nämlich brauchen wiederum die Rems-Murr-Kliniken, um statt roter so schnell wie möglich schwarze Zahlen schreiben zu können.