Der neue Leiter des Forstamts Backnang ist eine Frau. Dagmar Wulfes kümmert sich um die Reviere, die in Obhut des Landkreises stehen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Backnang - Die Statistik zeichnet sie ziemlich eindeutig als Exotin aus: Von den 44 Forstamtsleitern in den Landkreisen Baden-Württembergs sind lediglich vier weiblichen Geschlechts. Im staatlichen Forst – eine Chefin gegenüber 21 Chefs – sieht es noch klarer aus. Dennoch sagt Dagmar Wulfes, dass ihr selbst längst nicht mehr bewusst sei, in einer Männerdomäne tätig zu sein.

 

Damals, im Studium der Forstwissenschaften in Göttingen, räumt die Frau ein, die aus Goslar im niedersächsischen Harz stammt, hätte man das zahlenverhältnismäßig zwar kommen sehen können, aber an so etwas habe sie bei der Fachrichtungswahl nicht gedacht. „Ich war das, was man in den 80ern einen Öko genannt hat“, sagt die 56-Jährige, „gegen Atomkraft und für die Natur“. Der Wald erschien ihr als am besten geeignetes Refugium, in dem man „mit der Natur zusammenarbeiten und gleichzeitig wirtschaftlichen Erfolg erzielen kann.“ Dass die Berufslaufbahn im gehobenen Dienst so in Richtung Forstamtsleiter vorgezeichnet war, sei ihr nicht wirklich bewusst gewesen. Ihre Generation sei allgemein nicht so zielgerichtet in ein Studium gegangen.

Letztlich hat sie es aber nicht bereut. Sie steht an der Spitze eines Forstamtes mit 22 netten Mitarbeitern, das in der Nähe ihrer Wahlheimat Auenwald gelegen ist, betreut ein Waldgebiet, das sie auch als Privatmensch sehr zu schätzen weiß.

Als Teilzeit noch verpönt war

Der Weg dorthin war indes nicht immer einfach. Also doch Hürden für die Frau im Männerberuf? „Nicht unbedingt“, sagt Dagmar Wulfes. Zum einen musste sie sich außerhalb ihrer Heimat Niedersachsen einen Job suchen, weil die Forstämter dort Einstellungsstopps verhängt hatten. Im Süden dann, genauer will sie das nicht verorten, habe sie einen Chef gehabt, der zwar mit einer Frau als Führungskraft durchaus klargekommen wäre, nicht aber damit, dass man den Job auch in Teilzeitarbeit erledigen kann. Um ihren zwei Söhnen gerecht werden zu können, hatte sie sich das ausbedungen – Anfang der 2000er war das noch ein ziemliches Novum.

Manchen Menschen sei schwer verständlich zu machen, dass es doch um das Ergebnis der Arbeit geht und nicht um die Anwesenheitszeit, ist Dagmar Wulfes Erfahrung. Dabei habe sie selbst die Erfahrung gemacht, dass mancher Teilzeitler mehr schaffe als einer, der zwar in Vollzeit aber insgesamt wenig motiviert ans Werk gehe. „Heute, in der Generation meiner Kinder, gehört diese Denke zum Glück der Vergangenheit an“, sagt Wulfes. Auch ihr Chef, Landrat Sigel, lebe das neue Verständnis – „das ist aber leider längst nicht in jedem Landratsamt so“.

Was ist typisch weiblich?

Was macht Frau anders als Mann? „Es ist schwer zu sagen, was weiblich ist oder einfach meine Art“, sagt die Forstamtsleiterin und nennt Stichworte wie Teamdenken, Fehler eingestehen können und daraus lernen, statt diese als schlimm zu erachten. Ist das typisch weiblich? Auch Männer könnten Einfühlungsvermögen zeigen und seien nicht grundsätzlich auf Imponiergehabe gepolt, meint Wulfes.

Zumindest während ihrer Studienzeit war das wohl noch anders. Dagmar Wulfes ist Gründungsmitglied des Vereins „Frauen im Forstbereich“. Das Netzwerk besteht noch heute und setzt sich für die Chancengleichheit ein. Damals sei es zudem um unverschämte Bemerkungen im täglichen Job gegangen, aber auch das sei mittlerweile Geschichte.

Der Blick ist nach vorn gerichtet, aber welche Bedingungen hat die Chefin der Förster in ihrem neuen Zuständigkeitsbereich vorgefunden? Bei der Bewirtschaftung der Wälder im Rems-Murr-Kreis sei vieles richtig gemacht worden, sagt Dagmar Wulfes: Wo möglich habe man auf Mischwälder und naturnahe Verjüngung gesetzt. Dennoch mache sich der Wassermangel, der durch extreme Dürrejahre entstanden ist, bemerkbar. „Die Situation ist nicht so wie in den 1980er-Jahren, als man dem durch den sauren Regen bedingten Waldsterben mit der Reduzierung von Emissionen erfolgreich begegnen konnte“, sagt Dagmar Wulfes. Sie befürchtet, dass der Klimawandel eine europa- beziehungsweise weltweite Katastrophe auslösen kann. Im Forst sei die Erwärmung längst zu spüren. „Was wir derzeit fast nur noch machen, ist Schadensbegrenzung“, sagt die Waldexpertin. Statt den Holzeinschlag zu planen, könne man nur noch reagieren und von Borkenkäfern befallene Bäume aus dem Wald holen.

Was kann der Einzelne tun, um den Wald zu retten? „Fahrrad fahren“, sagt Wulfes und lacht. „Was den Wald betrifft, sollte man den Profis überlassen – und ihnen vielleicht manches Mal mit mehr Toleranz und Gelassenheit begegnen, statt Absperrungen zu ignorieren.“

Der Wald im Rems-Murr-Kreis

Fläche
Ungefähr 40 Prozent der Gesamtfläche des Rems-Murr-Kreises sind mit Wald bewachsen, was in etwa einer Fläche von 35 000 Hektar entspricht. Davon sind 15 600 Hektar Staatswald und rund 7200 Hektar kommunaler Wald. Weitere 11 500 Hektar Wald befinden sich im Besitz von Privatleuten.

Baumarten
Etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) des heimischen Waldes besteht aus Nadelbäumen. 31 Prozent des Gesamtbestandes sind Fichten, mit weitem Abstand folgen die Weißtanne (9 Prozent) und die Waldkiefer (7 Prozent). Eine ähnliche Verteilung der Anteile gibt es bei den Laubbäumen: 30 Prozent aller Bäume im Rems-Murr-Kreis sind Rotbuchen, es folgen anteilsmäßig die Eichen mit 7 Prozent und die Eschen (3 Prozent).

Forstreform
Seit Anfang des Jahres ist die Forstverwaltung neu geordnet. Der Staatswald wird getrennt vom privaten und kommunalen Waldbesitz betreut. Für Letzteren ist weiterhin das Landratsamt zuständig. Die Wälder im Landesbesitz unterliegen der Forst BW. Der bisherige Leiter des Forstamts Backnang, Martin Röhrs, ist dorthin gewechselt. Er ist nun der Leiter des neu gebildeten staatlichen Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald mit Sitz in Welzheim. Seine Nachfolge im Forstamt Backnang mit seinen nun neun Revieren hat Dagmar Wulfes angetreten.