Für Daimler ist es eine Zeitenwende: Beim Autosalon in Paris, der am Wochenende beginnt, präsentiert der Stuttgarter Konzern mit seinem E-SUV den Vorboten für eine neue rein elektrisch betriebene Produktfamilie.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart/Paris - Hat Daimler die Elektromobilität verschlafen? Hängt der amerikanische Autohersteller Tesla nun die Erfinder des Automobils ab? Die Liste der kritischen Fragen, die sich Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Vergangenheit im Hinblick auf seine Elektro-Strategie gefallen lassen musste, ist lang. Auf dem Autosalon in Paris hat er jetzt die Antwort gegeben, auf die nicht nur die Branchenkenner, sondern auch die Beschäftigten des Konzerns so lange gewartet haben.

 

Generation EQ heißt die Studie, die Daimler in Paris vorgestellt hat – und die zum Vorboten einer ganzen elektrisch betriebenen Produktfamilie werden soll. Der Elektro-SUV soll eine Reichweite von 500 Kilometern haben, in Bremen vom Band laufen und 2019 auf den Markt kommen. Die Batterie bezieht der Konzern von seiner Tochter Accumotive in Kamenz (Sachsen). Mit seiner Strategie ist Daimler freilich nicht allein beim Autosalon, der dieses Jahr ganz im Zeichen der Elektromobilität steht. Nachdem die deutschen Hersteller den Markt jahrelang dem Elektropionier Tesla überlassen haben, überbieten sie sich nun mit reichweitenstarken E-Autos.VW will bis 2020 mit einem Stromer mit 600 Kilometern Reichweite auf den Markt kommen. Opel bringt seinen Ampera-e, der mit einer Batterieladung 500 Kilometer schafft, sogar schon in diesem Frühjahr auf die Straße. Tesla verkauft ohnehin schon heute reichweitenstarke E-Autos.

Diesen zeitlichen Vorsprung gilt es für Daimler nun aufzuholen. Die Stuttgarter haben bislang lediglich den Smart (160 Kilometer Reicheweite) und die B-Klasse (200 Kilometer) als reine Elektroautos im Programm.

„Daimler ist beim E-Auto ein Spätstarter“, kommentierte Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte vom Car-Institut der Uni Duisburg-Essen. Umso besser sei, dass die Elektromobilität bei Daimler jetzt richtig Fahrt aufnehme. „Eigene Batterieaktivitäten, eine Fülle neuer Modelle, eine eigene Marke EQ – das ist wirklich vielversprechend“, so Dudenhöffer.

Bei dem nun vorgestellten E-SUV soll es nämlich nicht bleiben. Die Strategie basiert auf einer speziell entwickelte Architektur, die modellübergreifend einsetzbar ist. So eignet sich die Basisarchitektur nicht nur für SUV, sondern auch für Limousinen, Coupés und weitere Modellreihen.

Bis 2025 wollen die Stuttgarter mehr als zehn reine Elektrofahrzeuge anbieten, sagte Zetsche. Der Anteil der Elektroautos an allen verkauften Modellen weltweit soll bis dahin bei 15 bis 25 Prozent liegen. Im vergangenen Jahr verkaufte Daimler weltweit insgesamt knapp zwei Millionen Fahrzeuge aller Antriebsarten.

Zetsche verband die Vorstellung der neuen Elektrostrategie mit einer Kampfansage an seine Rivalen: Bis 2025 strebe er die Marktführerschaft im Premiumsegment bei Elektrofahrzeugen an. Der Vorsprung der Wettbewerber beeindruckt ihn dabei nicht.

„Es gibt jetzt andere, die im Markt etwas vor uns sind“, sagte Zetsche am Rande der Messe. „Ich glaube aber nicht, dass davon abhängt, wer in fünf oder zehn Jahren welche Position im Markt einnehmen wird.“

Das gilt auch für die Tesla-Aufholjagd: „Ich bin zuversichtlich, dass wir – später beginnend, aber mit einem besseren Angebot – den zeitlichen Vorteil von Tesla einholen und überkompensieren können.“ Um beim Ausbau der Elektrofamilie den steigenden Bedarf an Batterien decken zu können, nimmt Daimler eine Milliarde Euro in die Hand. 500 Millionen Euro sollen in den Ausbau der Batteriefertigung in Kamenz fließen. Weitere 500 Millionen Euro will Daimler in den Ausbau eines globalen Produktionsnetzwerkes stecken.

„Es sollen weitere Batteriefabriken in der Nähe von bestehenden Standorte gebaut werden“, sagte Daimlers Vertriebsvorstand Ola Källenius. Um welche Orte es sich dabei handelt, sei noch offen. Bei der Batteriezelle hingegen, die bei Elektroautos einen wesentlichen Anteil der Wertschöpfung ausmacht, will Daimler keinen neuen Versuch starten: „Im Hinblick auf die Zellenfertigung haben wir keine Pläne“, sagte Källenius. „Wir sind offen für die besten Lieferanten – unabhängig davon, ob diese aus Asien oder anderen Teilen der Welt kommen.“

Bei Experten wie Dudenhöffer kommt gut an, dass Daimler bei seinem ersten reichweitenstarken Elektrofahrzeug auf einen sportlichen Geländewagen setzt und nicht auf einen Nischenmarkt. Ein wichtiger Aspekt. Denn die Branche mag zwar auf Daimlers Antwort auf die Elektromobilität gewartet haben. Aber gilt das auch für die Kunden? Die maue Nachfrage nach der E-Auto-Prämie, mit der die Politik den Absatz von Elektroautos ankurbeln will, lässt anderes vermuten. Da ist die Hoffnung groß, dass die SUV auch dann weiter gefragt sind, wenn der Antriebsstrang elektrifiziert ist. Denn die Lust der Kunden auf die sportlichen Geländewagen ist ungebrochen. Inzwischen sind 20,4 Prozent aller Neuwagen in Deutschland SUV. 2013 waren es noch 15, 8 Prozent.