Die rot-grüne Koalition in der bayerischen Landeshauptstadt hat nach fast einem Vierteljahrhundert ein Ende gefunden. Was bloß mag jetzt kommen, fragt sich Mirko Weber in seiner E-Mail aus München.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Einem Menschen sieht man meist an, wenn sich in seinem Leben etwas grundlegend verändert hat, einer Stadt eher nicht – außer es stürzen Wolkenkratzer ein. Rein äußerlich hat sich in München auch nicht viel getan in der vergangenen Woche: alles ging weiter wie immer, nur dass der Ansager der Münchner Verkehrsbetriebe neu war, oder einfach mal etwas Anderes ausprobieren wollte.

 

Es war werktags, kurz nach acht Uhr unter dem Hauptbahnhof und er sagte: „Liebe Leute, wir wissen auch nicht, wie das hier alles weiter geht.“ Das war ein ziemlicher Brüller im Schacht, und man ist da um die Zeit Einiges gewohnt. Dann machten wieder alle weiter: die Gerichte und die Geschäfte, die Gerüchte und die Gewissheiten, und eine Gewissheit ist, dass nach gut 24 Jahren die rot-grüne Mehrheit in der Stadt ans Ende ihrer Zweisamkeit gekommen ist. Die machen nicht weiter. Stattdessen wird München jetzt offiziell von einer, sagen wir, Zweckgemeinschaft aus SPD und CSU regiert.

Es war schwer, eine neue Mehrheit zu finden

Gewählt worden war der neue SPD- Oberbürgermeister Dieter Reiter bereits vor gut zwei Monaten – und hatte es seitdem nicht geschafft, mit Grünen und Rosa Liste eine belastbare Mehrheit zu basteln. Schließlich verhalf bei einem lange dauernden und Schweiß treibenden Parteitag im Augustinerkeller ausgerechnet der ehemalige OB Georg Kronawitter den Befürwortern der Vernunftehe mit der CSU zu einer knappen Mehrheit innerhalb der SPD.

Ausgerechnet Kronawitter. Er war 1990 der Miterfinder der rot-grünen Koalition, jetzt löste er sie entschieden mit auf, auf dass, wie der neue OB Reiter es ausdrückte, aus der Landeshauptstadt nicht ein unregierbares Kleinkleckersdorf werde. Paradoxerweise ist nun ausgerechnet die größte personelle Sorge der Grünen nichtig: das Kreisverwaltungsreferat, eine Art städtisches Innenministerium und in längst vergangenen Zeiten einmal geprägt durch den sogenannten schwarzen Sheriff Peter Gauweiler, bekleidet nun die SPD. Auch darüber hinaus ist die Stadt jetzt kaum untergangsgeweiht, weil die Verantwortung – nicht nur für den maroden Nahverkehr und die horrenden Mieten – bei einer Großen Koalition liegt.

Der Alt-OB Christian Ude ist enttäuscht

Einem Mann hingegen war die Enttäuschung darüber, was sich das gerade politisch ereignet hatte, wirklich deutlich ins Gesicht geschrieben: dem vorigen Rathauschef Christian Ude (SPD) fiel es bei seinem letzten Termin im Deutschen Theater schwer, die Sottisen zu unterdrücken, die ihm gleich reihenweise auf der Zunge lagen. Seinem Abschied wohnte – wie oft bei Machtmenschen, sie mögen noch so souverän tun – ein Zaudern inne. Nicht zufällig erwähnte er den Namen des von ihm selbst stets protegierten Nachfolgers Dieter Reiter mit keiner Silbe. Man hätte – Wehmut hin, Wehmut her – Ude für feiner gehalten.